Mit meinem sehr häufig verwendeten AF-S Nikkor 500 mm 1:5,6E PF ED VR bringe ich plötzlich keine scharfen Bilder mehr hin. Manchmal zwar schon noch, aber meist nicht. Unerklärlich. Oder doch nicht?
Nachdem im Frühjahr der Flugverkehr über Schaffhausen fast vollständig zum Erliegen gekommen ist, erholte er sich Mitte Jahr nach der ersten Corona-Welle. Gefangen im Homeoffice wurde ich zum Planespotter der von Osten anfliegenden Jets mit Ziel Zürich (Nordanflug, Pisten 14 und 16), die normalerweise in rund 2’000m über Grund unser Haus direkt überfliegen. Mit der Webseite flightradar24.com lassen sich diese Auflockerungen präzise planen. Aber nicht nur die in relativ geringer Höhe anfliegenden Flugzeuge wurden zum Ziel, auch überfliegende, teilweise in über 41’000 ft (12’500m) Höhe oder auch bis zu 30km entfernt. Natürlich nur bei optimalen Bedingungen.


Nach der Rückkehr aus den Herbstferien Anfang Oktober schien das Ganze nicht mehr richtig zu klappen. Die Bilder waren von der Schärfe her häufig unbefriedigend und auch meine geliebten Mondbilder wollten einfach nicht mehr klappen.

Wenn wenigstens alle Bilder unscharf gewesen wären! Dann hätte man vielleicht einen technischen Anhaltspunkt gehabt. Aber so war es einfach nur frustrierend und auch verdammt ärgerlich, denn von einem Dreieinhalbtausend-Franken-Objektiv darf man Qualität erwarten.
Nachdem ich dann wieder und wieder mit enttäuschenden Resultaten konfrontiert war, wollte ich eine Art «Kalibrierung» durchführen. Dabei habe ich vermutlich den Grund für das erratische Verhalten herausgefunden:
Schnelle Temperaturwechsel sind Gift.
Bei einem Wechsel von der trockenen Kälte in relativ feuchte Wärme beschlagen nicht nur Sucher und Linsen, es kann sich auch im Innern von Kamera oder Objektiv Kondenswasser bilden. Dass das für Präzisionsoptiken und hochempfindliche Sensoren nicht gut ist, war mir bewusst. Darum immer: Ausrüstung verpackt lassen und langsam «akklimatisieren» lassen.
Umgekehrt habe ich noch nie Schwierigkeiten gehabt. Aber genau das ist meiner Meinung nach der Grund für die Unschärfen. Wohlgemerkt, nur mit dem 500mm. Die anderen Objektive haben noch nie «gezickt».
Der Zufall hat mitgeholfen.
Ich begann also die Versuchsaufstellung für die Kalibrierung aufzubauen. Dabei wollte ich auf das Zifferblatt der 1.33km entfernten Steigkirche fokussieren. Da sich die Temperaturen inzwischen nahe dem Nullpunkt bewegen, bereitete ich mich bei geschlossenem Fenster auf die Aufnahmen vor. Ich wollte sowohl den Autofokus einsetzen wie auch manuell über LiveView mit Vergrösserung scharf stellen. Hat alles prima funktioniert, bis ich dann für den «richtigen» Versuch das Fenster öffnete: Die kalte Luft strömte herein und der Fokus begann zu tanzen. Und das bei manueller Einstellung! Fenster zu und der Spuk war vorbei.

Jetzt machte plötzlich alles Sinn: Wenn ich in der kalten Jahreszeit nur kurz ans Fenster trete, dann kommt es jedesmal zu einem Temperaturschock und den erträgt das 500mm nicht gut. Meine Interpretation: Es ist, obwohl für seine Brennweite erstaunlich kurz, ein stattliches Objektiv mit rechtem Hohlvolumen, das dann den Temperaturausgleich mit der Umgebung sucht. Dabei kommt es zu Strömungen in den einzelnen Kammern und Druckunterschieden zwischen den Linsen, was zu minimalsten Bewegungen führt und damit die Unschärfe begründet.
Nein, beweisen kann ich das nicht, aber die Tatsache, dass das Problem nicht mehr auftritt, wenn ich ca. 10 Minuten Vorlauf einplane, spricht doch Bände…
2 Comments
Sehr interessante Erfahrung! So ergäbe sich eine spezielle Vorbereitung, wenn man bei den jetzigen Frosttemperaturen nach Zürich zur Masoalahalle fährt und im Innenbereich mit über 30 °C und einer Luftfeuchtigkeit von 90 % konfrontiert ist . . . . dann auch wieder raus in die Kälte. Lieber Gruss
Ja, da wird dir die hohe Luftfeuchtigkeit eine zusätzliche Pause aufzwingen. Beschlagene Linsen abzuwischen ist nicht unbedingt förderlich – hatten wir doch auch im Haupthaus des Botanischen Gartens in Basel.