Wer hat es nicht schon selbst erlebt: Da fährt man mit dem Bus oder dem Zug durch die Gegend und hat wunderbare Ausblicke, die man fotografisch festhalten möchte. Bei der Bearbeitung folgt dann die grosse Enttäuschung: Das Bild ist verwackelt, verzerrt oder von Reflexionen «entstellt», dazu kommen im Falle von Bildern aus der Bahn allenfalls noch störende Fahrleitungen.
Die Aufarbeitung von derartigen Bildern war bisher sehr aufwändig und hat meist zu nicht ganz zufriedenstellenden Resultaten geführt, also habe ich eigentlich damit aufgehört. Bis jetzt.
Adobe hat sich vor längerer Zeit dazu entschieden, die Beta-Version von Photoshop zugänglich zu machen. Die Beta-Version ist 0.1 bis 0.2 Schritte weiter als die «released» Version und enthält häufig kleine, aber feine Neuerungen, die mit der Integration von KI mit wenig Aufwand teils erstaunliche Resultate ermöglichen. Ich arbeite seit längerem nur noch mit der Beta-Version.
Einschränkung
Bei gewissen Zügen sind feine Drahtgitter in die Scheiben eingearbeitet. Diese ersetzen die Metallbeschichtungen, welche zur Wärmedämmung aufgebracht wurden, aber auch den Mobilfunk ziemlich effektiv abschirmten. Diese Drahtgitter sind bei grosser Blende nicht sichtbar, führen aber zu physikalisch bedingten Qualitätseinbussen bei den Bildern: Die Beugung der einfallenden Lichtwellen führt zu chromatischer Aberration im ganzen Bild und reduziert damit Schärfe und Dynamikumfang. Mit den nachstehend beschriebenen Methoden kann diese nicht behoben werden.
Ablenkungsentfernung
Das etwas ungelenke Wort «Ablenkungsentfernung» drückt eigentlich ziemlich gut aus, worum es geht: Die Entfernung von Elementen, die vom eigentlichen Bild ablenken. Ganz automatisch geht das nach wie vor nicht, aber sehr viel einfacher und schneller als vorher.

Eine tolle Morgenstimmung, leider durch Fahrdrähte und Reflexionen verunstaltet. Ein typisches Bild für die Statusmeldung auf Social Media, aber keines für das Album.
Kurze Verschlusszeit
Durch die kurze Verschlusszeit von 1/3’200 Sek. konnten bereits zwei mögliche Ärgernisse vermieden werden:
- Unschärfe durch Verwackelung.
- Verzerrung durch sequenzielles Auslesen des Sensors.
Letzteres haben sicher alle schon einmal selbst erlebt, vor allem bei Bildern mit dem Handy aus fahrenden Zügen: Fahrleitungsmasten, die entgegen der Fahrtrichtung wie Bananen verkrümmt oder Bällen, die nicht mehr rund, sondern oval sind. Das rührt daher, dass die Bilddaten zeilen- oder spaltenweise vom Sensor ausgelesen werden und es zwischen jedem Auslesevorgang eine kleine Zeitdifferenz gibt.
Um u.a. dieses Phänomen zu eliminieren, wurde die sogenannte Global Shutter-Technologie entwickelt, die bereits in einigen Sony Kameras implementiert ist. Sie ermöglicht es, den Sensor auf einmal vollständig zu aktivieren und alle Pixel gleichzeitig auszulesen. Dieser Vorteil wird momentan aber noch mit einem geringeren Dynamikumfang «erkauft».
Keine Angst vor hohen ISO-Werten!
Im Zusammenhang mit einer kurzen Verschlusszeit kann auch ein höherer ISO-Wert notwendig werden. Natürlich ist man grundsätzlich bestrebt, den Wert so tief wie möglich zu halten, aber die Sensoren aller Kameras sind heutzutage so gut, dass ISO-Werte bis 3’200 und mehr problemlos angewendet werden können. Auch die Rauschunterdrückung in den Bildbearbeitungsprogrammen ist inzwischen auf einem sehr hohen Niveau angekommen.
Bearbeitung in Photoshop
Als erstes entferne ich die Fahrleitungen.


Mit dem Klick auf «Drähte und Kabel» ist der erste Schritt sehr schnell erledigt.

Als nächstes geht es den Reflexionen an den Kragen. Die Lampen-Spiegelungen im Himmel sind nicht schwierig zu entfernen, aber die Reflexe vor Objekten, wie beispielsweise links vor der Bergflanke, über den Schienen oder auch, kaum erkennbar, über dem See.




Die Spiegelungen der Leuchten im Bereich des Himmels werden damit nicht entfernt. Ob das absichtlich ist, oder dem β-Status geschuldet ist, kann ich nicht sagen. Jedenfalls ist die Entfernung dieser Reflexionen über das «normale» Entfernen-Werkzeug mit KI-Nutzung kein Problem.

Vorher und Nachher im Vergleich
Ob diese Möglichkeiten jemand nützen will, bleibe ihm selbst überlassen. Ich, für meinen Teil, werde bei tollen Stimmungen während Zugfahrten durchaus wieder einmal zur Kamera greifen.