The stars at night
June Hershey 1941
Are big and bright
Deep in the heart of Texas
The prairie sky
Is wide and high
Deep in the heart of Texas
Insgesamt verbrachte ich ab 1987 etwa drei Monate in Austin zur Ausbildung bei Texas Instruments, dem damaligen Lieferanten der LISP-Systeme der Swissair. Die Rückkehr stand unter einem anderen Stern, einem, der uns ziemlich vertraut ist, der Sonne. Die sollte im Verlaufe der «North American Eclipse» am Montag, 8. April 2024 für über viereinhalb Minuten hinter dem Mond verschwinden. Obwohl sich der Pfad der Totalität quer durch die ganze USA zog, entschied ich mich bereits im letzten Oktober für Texas, primär aus zwei Gründen: Die Chancen auf einen klaren Himmel und «The Great Texas Air Show», die am vorangehenden Wochenende in San Antonio stattfinden würde.
Die Reise in die USA sollte mir helfen, eine «Sonnenfinsternis-Enttäuschung» kompensieren zu können. Am 11. August 1999 fand die letzte totale Sonnenfinsternis mit 100% Abdeckung in Europa statt. Die Schweiz lag leider nicht im Kernschatten, aber dafür Stuttgart, von Schaffhausen aus individuell motorisiert ziemlich schnell zu erreichen. Ich packte meine Fotoausrüstung aufs Motorrad und verbrachte einen frustrierenden Regentag unter einer dicken Wolkendecke. Den Eintritt in den Kernschatten erlebte ich auf irgeneiner Autobahnbrücke, wie wenn jemand das Licht gelöscht hätte. Auf der Rückfahrt klarte es auf und in Schaffhausen schien auch die Sonne wieder. Das half der Videokamera aber auch nichts mehr: Mit Wasserschaden versagte sie fortan den Dienst.
Als ich Madeleine vom bevorstehenden Spektakel erzählte, ermutigte sie mich, doch da hinzufahren. Das war kurz nach dem Fliegerschiessen auf der Axalp. Da wollte ich zwei Fliegen auf einen Streich schlagen und begann, nach Flugvorführungen der U.S. Air Force oder Navy zu suchen. «The Great Texas Air Show» lag datummässig ideal und in Texas würden bereits milde Temperaturen zu erwarten sein.
Den Flug buchte mir Madeleine bei American Airlines für 349.45 $ Zürich – San Antonio retour. Mit Zwischenstopps in Philadelphia und Miami, beim Rückflug Dallas/ Fort Worth und London. Ja, bei dem Preis fragt man nicht zweimal. Auch fünf Übernachtungen in einem Motel waren noch für etwas über 400 Franken zu haben, zwei Wochen später begann offenbar ein Hype um die Sonnenfinsternis und die Preise schossen durch die Decke.
Packen war eine besondere Herausforderung, weil erstmals das grosse Zoomobjektiv mit auf eine Flugreise sollte. Und das zusammen mit dem schweren Stativ mit zwei Köpfen, einem Gimbal für die Flugshow und einem Getriebeneiger für die Sonnenfinsternis. Dass das Stativ mit Zubehör im aufgegebenen Gepäck reisen würde, war klar, aber mit dem Zoomobjektiv überschritt mein Handgepäck klar die Limite von 8 kg. Aber ich musste es wagen, einen Verlust oder Defekt konnte ich mir nicht leisten.
Kurz vor Abflug leistete ich mir dann noch einen Upgrade in die «Premium Economy» für die Transatlantikstrecke, um für den Rest der 17-stündigen Reise besser gewappnet zu sein. Beim Buchen des Upgrades stellte ich dann auch fest, dass offenbar der Itinerary geändert hatte. Weil die Buchung ursprünglich nicht über AA dirket erfolgte, wurde ich darüber aber nicht informiert. Der Flug würde neu über Dallas/ Fort Worth gehen statt über Miami, was einen entscheidenden Zeitgewinn bedeutete und so das Risiko senkte, in San Antonio bei der Mietwagenausgabe vor einem geschlossenen Schalter zu stehen.
Beim Check-In gab’s den «Premium»-Tag zur Gepäcketikette dazu, was bei knappen Umsteigezeiten und Terminalwechsel durchaus ein Vorteil sein kann. Ich würde ja in Philadelphia, dem «Port of Entry» in die USA, das Gepäck persönlich einführen müssen.
Flug in der Flagship® Business
Das erste Mal, dass ich eine Boeing 787-8 Dreamliner von Innen sah. Ich freute mich über meinen Platz in der 6. Reihe mit genügend Beinfreiheit und freiem Mittelsitz daneben. Aber nicht lange. Ein Flight Attendant fragte mich hinter hervorgehobener Hand, ob ich denn allfällig bereit wäre, meinen Platz für einen in der «Flagship® Business» zu tauschen. Ja, wenn es denn unbedingt sein muss… Es gab da eine Lady, die war mit einem «Service Dog» unterwegs und der fand in den Einzelkabäuschen der Flagship-Klasse keinen Platz. Also suchte sie nach einer Möglichkeit mit einem freien Sitz oder genügend Fussraum. Warum ich der Auserlesene war und nicht mein übernächster Nachbar, liess sich nicht herleiten, war mir aber schon Recht.
Da wurden wieder Erinnerungen wach, als ich jeweils für die Swissair häufig auch First Class über den Atlantik fliegen konnte: Mit Namen angesprochen werden, Essenswahl, Stofftücher und richtiges Besteck, Getränke jeglicher Art à Discrétion, flach liegen, Duvet und schliesslich schnellerem Ausstieg.
Zusätzlich zum ESTA (Electronic System for Travel Authorization) hatte ich mich noch für das MPC (Mobile Passport Control) angemeldet. Da muss man im Vorfeld die Identitäts- und Reiseinformationen angeben und nach Ankunft am Port of Entry ein Selfie hochladen. Bei der Immigration kann man in einer Extrareihe anstehen. Vor mir war niemand und ich musste nur noch einmal den Pass zeigen. Da gab’s noch eine schnelle Sichtkontrolle und das war’s. Keine 10 Minuten, nachdem ich aus dem Flugzeug ausgestiegen war, stand ich bereits an der Gepäckausgabe. Für meinen Rollkoffer schien sich niemand zu interessieren und ich konnte ihn direkt am Transferband wieder aufgeben.
Danach musste ich aber das Terminal wechseln und so auch den Sicherheitsbereich verlassen. Das würde bedeuten, erneut durch die Security zu müssen, Amreican Style, mit Schuhe ausziehen und Body-Scan. Beim Flug von Philadelphia nach Dallas/ Fort Worth handelte es sich um einen Airbus A321Neo, eine nicht endend wollende Röhre und bis auf den letzten Platz gefüllt. Ich war zum Glück in der Boarding-Group 6, weil ab Gruppe 7 kein Bordgepäck mehr mitgenommen werden durfte und zwar konsequent. Ich weiss nicht, ob ich meinen Fotorucksack mit seiner wertvollen Fracht abgegeben hätte. Aber auch so dauerte es noch ewig, bis alle Passagiere ihren Platz gefunden hatten und mit rund einer halben Stunde Verspätung hoben wir ab.
Nach der Landung in Dallas/ Fort Worth konnte ich vom Fenster aus noch sehen, wie mein Koffer in einen Transit-Trolley umgeladen wurde, was ich zufrieden zu Kenntnis nahm. Das Umsteigen war problemlos, ausser dass sich der Vorteil des neuen Routings schon bald wieder verflüchtigte, weil sich der Start nach San Antonio «wegen verspäteter Ankunft des Fliegers» um über eine Stunde erstreckte. Darüber hinaus waren wir in Dallas, mit 60 Mio. Passagieren hinter Atlanta Heartsfield dem zweitgrössten Flughafen der Welt, auch nicht die einzigen, die starten wollten.
Es war schon nach 23 Uhr Ortszeit (CDT — Central Daylight Time), als wir in San Antonio landeten. Und bis dann wieder alle ausgestiegen waren. Aber das war irrelevant, weil letztlich die Gepäckausgabe der limitierende Faktor ist. Es dauerte nicht lange und ich war mit meinem Bagage zum Schalter von ALAMO unterwegs. Die sehr freundliche Bedienung hatte mein Auto bereit, aber nichts vom Wunsch nach einem Navi gehört, löste das Problem aber unbürokratisch, indem sie mir eine originalverpacktes TomTom mitgab (kostenlos). Sie hätten aber keine Ahnung, wie das zu bedienen sei. Ja, das würde ich wohl, auch zu später Stunde, schon noch selbst rausfinden. Ich brachte das Ding auch zum Laufen, aber die Adresse des Hotels war nicht auffindbar. Schliesslich hatte ich keine Geduld mehr und fuhr los, ich hatte mir in weiser Voraussicht den Weg vom Flughafen zum Hotel eingeprägt. Dass es Nacht war, machte die Sache zwar auch nicht einfacher, aber ich war zuversichtlich, mein Bett zu finden. Als ich gefühlt schon fast da war, musste ich einmal rausfahren und die Karte konsultieren. Ich hatte mir zum Glück noch eine SIM-Karte für die USA besorgt (+1 (310) 678-2289) und dort unlimitierte Daten zur Verfügung. Google Maps wusste sofort, dass ich nur noch etwa 300 Meter von meinem Ziel entfernt war.
Auch im Hotel, La Quinta Inn & Suites by Wyndham San Antonio Medical Ctr NW, zu später Stunde sehr freundlicher Empfang und endlich, nach 25 Stunden unterwegs, war ich angekommen.
San Antonio auf die Schnelle
Das Frühstücksbuffet war typisch amerikanisch (wie auch nicht anders zu erwarten), aber in Bezug auf die Reichhaltigkeit eher am unteren Ende der Skala. Egal, deshalb war ich ja auch nicht hergekommen. Den Freitag hatte ich als Puffertag eingeplant und konnte ihn jetzt voll nutzen. Ausgangspunkt war das «Lone Star Cafe», das mir noch ein Begriff aus der Zeit in Austin war. Ausserdem ist mein T-Shirt von dort inzwischen auch ziemlich abgetragen, vor allem, seit es zu Mias Wahl gehört.
Zuerst wollte ich nun aber das Navi einrichten. Eigentlich war es mir sowieso unverständlich, warum es heute noch Autos (ich hatte einen Nissan Sentra bekommen) ohne Navi gibt. Wobei ich schnell merkte, dass es eigentlich überflüssig ist. Bei all dem Gefummel stiess ich dann irgendeinmal auf «Android Auto» und mein Handy war dann schnell verbunden. Mit allen Features: Google Maps, Spotify, Kontakten. Und ich muss sagen, die Navigationsführung von Google ist topp. Dann noch die DashCam (auf Temu für CHF 34.-) montiert und los Richtung Downtown in ein Parkhaus in der Nähe des Lone Star Cafes.
Im Lone Star Cafe gab es leider kein Merchandising, man würde sich das aber überlegen. Das Logo war noch gleich, die ursprüngliche Kette ist aber scheinbar Konkurs gegangen. Also kein neues T-Shirt. Das Lone Star Cafe liegt gleich am River Walk, einem ehemaligen Entwässerungskanal, der die Stadt im 18. Jahrhundert vor Überschwemmungen schützen sollte. Heute sind entlang der rund acht Kilometer 150 Geschäfte und Restaurants zu finden. Der Besuch des River Walks stand schon zu meiner Zeit in Austin auf dem Programm, aber ich habe es damals nie bis nach San Antonio geschafft.
Was in San Antonio natürlich nicht fehlen darf, ist der Besuch des Alamo, einer ehemaligen Missionsstation und quasi ein Heiligtum der Amerikanischen Unabhängigkeit. Denn obwohl die Schlacht von Alamo im Jahr 1836, als eine kleine Gruppe texanischer Rebellen gegen eine übermächtige mexikanische Armee kämpfte, verloren ging, ist der Ort zum Symbol von Mut und Heldenhaftigkeit mit Ausstrahlung auf die ganze USA geworden. Die Tapferkeit der Alamo-Verteidiger inspirierte die texanischen Truppen und trug zum Sieg in der darauf folgenden Schlacht von San Jacinto bei. Die Unabhängigkeit von Texas dauerte allerdings nicht lange, bereits 1845 annektierten die damaligen USA das Gebiet im Rahmen der «Westerweiterung».
$ 30 für das Halbtages-Parkticket waren auch nicht gerade wenig, aber verglichen mit New York war das ein Schnäppchen…
The Great Texas Air Show, Tag 1
Dem sonnigen ersten Tag in Downtown San Antonio folgte ein trüber Morgen. Keine guten Voraussetzungen für die Airshow. Bereits im Vorfeld wurde davon abgeraten, mit dem Auto bis zur Randolph AFB (Air Force Base) zu fahren und stattdessen den Park & Ride-Service für $ 2.60 zu nutzen. Der Randolph P&R befand sich in der Nähe des Flughafens und bot eine ausgezeichnete Dienstleistung. Die Busse fuhren los, sobald alle Sitzplätze besetzt waren, stehen musste während den rund 10 Meilen Fahrt also niemand. Ich war in einem der ersten Shuttles und der Fahrer hatte nach dem Passieren des Gates zum Flughafengelände zuerst keine Ahnung, wohin er fahren sollte. Das Gelände ist aber auch riesig.
Die Randolph AFB alleine umfasst 13 km² und hat rund 1’300 Einwohner. Die Basis gehört aber zur «Joint Base San Antonio (JBSA)», zusammen mit Camp Bullis, Fort Sam Houston und der Lackland Air Force Base. Insgesamt leben dort fast 47’000 Personen.
Es gab für alle Besucher eine Sicherheitskontrolle, Rucksäcke waren keine erlaubt. Das war etwas mühsam, weil ich so Kamera und Stativ ungeschützt mittragen musste. Als erstes wollte ich mir einen guten Aufnahmeplatz suchen und steuerte den Tarmacbereich an, auf dem die sechs F-16 der Thunderbirds abgestellt waren. Ich fand auch noch eine Lücke am Zaun und machte dort bereits die Bekanntschaft von Dawn und Ed aus Lampasas. Sie boten mir auch an, einen ihrer Campingstühle zu benützen, solange sie in der statischen Ausstellung unterwegs seien. Danach verschwanden sie für etwa anderthalb Stunden. Aber so viel Zeit war auch nötig, um die Objekte auf dem Vorfeld zu besichtigen. Nachdem die beiden zurückgekommen waren, passten sie auf mein Stativ mit angebrachtem Zoomobjektiv auf, während ich die Aussenausstellung besuchte.
Auf dem Rückweg zum Aufnahmeort kaufte ich mir für $ 20 noch einen Campingstuhl, ich würde ja noch mindestens sechs Stunden vor Ort verbringen. Inzwischen hatte der Wind ziemlich aufgefrischt und es hatte auch zu nieseln begonnen, keine guten Voraussetzungen für ein Fliegerfest. Dawn und Ed hatten sogar mein Objektiv in eine Schutztasche eingepackt, aber glücklicherweise trocknete es bald wieder ab.
Die Wolken hingen aber weiter tief und der Start der Flugshow wurde schon einmal um eine halbe Stunde verschoben. Das war aber erst der Beginn einer Kaskade, schliesslich ging es mit zwei Stunden Verspätung los. Inzwischen hatte sich noch Norma aus Kerrville zu uns gesellt. Ihr Sohn ist als Mechaniker auf der Basis für die Wartung der T-38 Talon Trainingsjets tätig. Dass ich jetzt gerade Leute aus möglichen Beobachtungsorten für die Sonnenfinsternis kennen gelernt habe, war ein witziger Zufall.
Es wehte ständig ein kühles Lüftchen und die Sonne zeigte sich praktisch nie. Dass dies aber nicht vor Sonnenbrand schützt, hätte ich ja eigentlich wissen müssen, merkte es aber erst am Abend bei der Fahrt zurück zum Park & Ride. Einfach nur dumm!
Meine Bekanntschaften machten sich dann alle frühzeitig auf den Weg, weil sie befürchteten, wegen der anstehenden Sonnenfinsternis und den Absperrungen an ihren Wohnorten nicht mehr nach Hause zu kommen.
Eine Reihe von kolportierten «Performers» hatte heute noch keinen Auftritt, was ich aber mit dem Wetter und dem verspäteten Beginn in Verbindung brachte.
The Great Texas Air Show, Tag 2
Die Wetteraussichten schienen ähnlich zu sein wie am Vortag, aber immerhin musste der Beginn der Vorführung nicht verschoben werden.
Vor der zweiten Vorführung der Thunderbirds, die der krönende Abschluss des Meetings sein sollte, fragte ich an der Infostelle nach den erwarteten, aber noch nicht gesehenen Flugzeugen an:
- B-1B Lancer
- B-2 Spirit
- B-52H Stratofortress
- CV-22 Osprey
- F-18 Rhino (fast identisch mir der F/A-18D Hornet der Schweizer Luftwaffe)
- F-22 Raptor
Die Antwort war leider durch’s Band negativ. Aber ich will nicht klagen, ich hatte einiges gesehen, vor allem viele der Flugzeuge, die mich seit meiner Jugend fasziniert hatten und die ich bereits vor einem halben Jahrhundert als Modell an der Decke meines Zimmers hängen hatte.
Zurück im Hotelzimmer mutierte ich zum Hobbymeteorologen und prüfte unzählige Prognosewebseiten für den morgigen Tag. Inzwischen war auch im TV ein richtiger Hype ausgebrochen und die Liste der guten Ratschläge wurde immer länger – Ratschläge, die alle wertlos sein würden, wenn das Wetter nicht mitspielt… Die Warnung vor dem grosse Verkehrchaos aber war allgegenwärtig und auch auf den Signaltafeln entlang von Interstates und Highways wurde seit Freitag darauf hinwegiesen, am Montag dann frühzeitig unterwegs zu sein. Auch die Vermietung von Abstellplätzen auf privaten Grundstücken war Thema: Bis zu $ 200 sollen dafür verlangt worden sein. Ich hatte ja nicht vor, in einen Ort hineinzufahren, sondern würde mich irgendwo ausserhalb platzieren.
North American Eclipse
Der Name für das Ereignis war auf jeden Fall richtig gewählt: Die Spur der Totalität zog sich von Mexico her kommend über Texas bis zu den Great Lakes und Kanada. Ein kurzer letzter Check des Wetterradars bestätigte meinen gestrigen Entscheid, nach Lampasas zu fahren, auch wenn dies mit 118 Meilen mehr als doppelt so weit war wie das ursprünglich geplante Kerrville. Pünktlich um 6 Uhr stand ich am Frühstücksbuffet und bald schon war ich auf dem Highway 281 Richtung Norden unterwegs. Ich fuhr durch einen nebligen Frühlingsmorgen, wunderschön zwar, aber nicht das, was ich mir erhoffte. Das beschworene Verkehrschaos blieb aus und ich erreichte die Ortsgrenze von Lampasas in knapp zwei Stunden, wollte aber nicht in die Stadt hineinfahren, obwohl mir Dawn und Ed sogar angeboten hatten, das Ereignis von ihrem Garten aus zu verfolgen. Ich bog ab und fuhr auf der Burnet Rd ein oder zwei Meilen, bis ich vor der Ranch-Einfahrt der Smiths einen geeigneten Standort gefunden zu haben meinte.
Auf der Burnet Rd schienen nur Pickups zu verkehren. Es dauerte nicht lange, bis ein älterer Texaner mit ledergegerbtem Gesicht anhielt und mich freundlich mit «howdy» begrüsste. Es war ein Farmer von etwas weiter der Strasse entlang und er machte mich darauf aufmerksam, dass ich Schwierigkeiten bekommen könnte, weil der Strassenrand bis zum Zaun «Community Ground» sei und da sei Prakieren grundsätzlich verboten. Aber ich könne gerne etwas weiter fahren und meine Ausrüstung in seinem Driveway aufstellen. Wir plauderten noch etwas und er hat wohl gecheckt, dass ich von weit her komme, aber hatte keine Ahnung, wo dieses «Switzerland» liegt. Ich entschied mich dann, am Standort zu bleiben, wer sollte mich schon von diesem Community Ground wegscheuchen?
Vielleicht der Nächste, der angehalten hat? Er stellte sich vor als «Deputy Chief» von Lampasas, aber dem war wohl egal, wo mein Auto stand. Er machte mich zwar auch auf den Community Ground aufmerksam, wollte aber offenbar einfach wissen, was der Fremde hier macht. Es hat sich dann herausgestellt, dass er unterwegs war zu seiner Tochter, um die Sonnenfinsternis in ihrem Garten zu erleben. Also wenn auch der nichts gegen meinen Standort hatte, dann würde ich wohl dem Hauptgrund meiner USA-Reise entspannt entgegensehen können.
Aber vielleicht hatte der Sheriff ja etwas zu meckern? Ich konnte es kaum fassen, als der auch noch anhielt. Aber er war ganz entspannt und wir sprachen noch über die Massnahmen, die in Lampasas im Hinblick auf das Ereignis gemacht worden waren. Er meinte, sie hätten sich jetzt seit zwei Jahren vorbereitet und der Ansturm sei völlig ausgeblieben. Und dann wünschte er mir noch «Clear Sky» und brauste weiter. Damit hatte ich meinen Standort wohl endgültig legitimiert.
Vor der Abreise hatte ich noch einen speziellen Filter für die Sonnenfotografie beschafft. Einen Haida NanoPro «One Million X Edition Filter» ND1000000/ 20 Stop mit 95 mm Durchmesser. Was bedeuten diese Zahlen? ND 1’000’000 heisst, dass noch ein Millionstel oder 0.0001% des einfallenden Lichtes durchgelassen werden. Das entspricht 20 Lichtstufen. Die Durchsicht durch den Filter kann man mit dem Blick durch eine Schweissbrille vergleichen: Ohne gleissende Lichtquelle ist einfach alles Schwarz.
Die (manuellen) Kamera Einstellungen: ISO 200, Blende 8, Belichtungszeit 1/100 Sekunde (die Sonne bewegt sich bei 600 mm Brennweite ziemlich schnell aus dem Fokusbereich). Die Scharfstellung erfolgte ebenfalls manuell (Vergrösserung der Sonnenflecken als Referenz auf dem Bildschirm).
Nach dem Abschrauben des Filters änderte ich auch die Belichtungseinstellungen: ISO 100, Blende 8, Belichtungszeit 1/30 Sekunde, aber nun noch mit 9er-Bracketing (Belichtungsreihe). Dabei wird erst ein Bild mit den eingestellten Werten aufgenommen und danach je vier Bilder mit Lichtwerten -4 bis -1 resp. 1 bis 4 (also von unter- bis überbelichtet). Damit hat man später die Möglichkeit, das beste Bild herauszusuchen, weil einem während des Ereignisses einfach keine Zeit zum Korrigieren bleibt.
Nachdem die Totalität beendet war, machte ich mich auf den Rückweg, weil die Wolken wieder dichter wurden. Bald darauf begann es auch leicht zu regnen und jetzt herrschte auf der Route wirklich ein Verkehrschaos. Meistens musste aus irgendeinem Grund das Zentrum diesen oder jenes Ortes umfahren werden und das kostete Zeit. Nerven nicht, ich war noch ganz beglückt von dem, was ich hatte miterleben dürfen und dazu hatte ich ja über Spotify meine «Cruising Music», also ganz entspannt.
Zurück im Hotel begann ich, die Ausrüstung für die Rückreise einzupacken. Das TV-Programm wurde immer wieder von «Severe Thunderstorm Warnings» unterbrochen, denen ich aber nicht besondere Aufmerksamkeit schenkte.
Als ich dann von American Airlines auch noch darauf hingewiesen wurde, dass meine Flüge am Folgetag allenfalls verspätet sein oder ganz ausfallen könnten, wurde ich hellhörig. Obwohl ich bei meinem Tarif eingentlich nicht umbuchen konnte, wurde mir die Möglichkeit gratis angeboten, allerdings erst einen Tag später. Das kam für mich aber nicht in Frage, hingegen schien mir die knappe Umsteigezeit in Dallas schon etwas kritisch. Also versuchte ich auf einen früheren Flug ab San Antonio umzubuchen. Es brauchte einige Anläufe, aber statt erst um 14:33 Uhr würde ich schon um 09:33 Uhr Richtung Dallas/ Fort Worth abfliegen. Dann wurde auch gleich der Rest angepasst und statt über London sollte es wieder über Philadelphia gehen, was letztlich bedeutete, dass ich die Zeit, die ich früher abfliegen würde, auch früher in Zürich sein würde. Ich hatte jetzt jedesmal ca. zweieinhalb Stunden Zeit, das sollte reichen.
Severe Thunderstorm Warning
Nach problemlosem Check-Out und einem letzten Kaffee vom Frühstücksbuffet machte ich mich auf den Weg Richtung Flughafen über die Interstate 10 South und 410 East zur Rückgabe des Mietwagens, wie immer perfekt geführt von Google und bei trockenen Verhältnissen. Nach der Einfahrt in den Bereich der Mietwagen entfernte ich noch die Klebehalterung für die DashCam und damit war die Rückgabe auch schon abgeschlossen. Ich erhielt noch beim Auto die Quittung und war so mit ausreichend Zeitreserve unterwegs zum Check-In. Auch das war schnell erledigt und Ausreise- sowie Sicherheitskontrolle ebenso. Es hiess wie immer «Schuhe ausziehen», aber das Gepäck musste nicht mehr auseinander genommen werden.
Beim Boarding «same Procedure», ab Gruppe 8 kein Handgepäck mehr und leicht verspäteter Abflug. Auch in Dallas lief vorerst alles glatt, bis dann die Meldung kam, es müsse noch Öl nachgefüllt werden in der APU (Auxilary Power Unit – Strom Generator). Nicht gerade vertrauenserweckend, aber es war ja wieder eine Boeing 787-8, das gehört da wohl einfach dazu. Dummerweise gingen dann auch Licht und Klimaanlage aus und es herrschte längere Zeit Funkstille. Während der Zeit zogen Wolken auf und es begann zu regnen. Als dann die technischen Probleme gelöst waren, wurde der Push-Back jäh unterbrochen wegen Blitzgefahr. Das dauerte eine weitere Viertelstunde und und die Verspätung ging schon gegen eine Stunde. Und klar, wir waren ja nicht die Einzigen, die während des Gewitters nicht weg konnten, also wieder mal zum Start einreihen: «we are actually number 13»…
Nachdem ich gestern spät noch die Umbuchungsbestätigung von American Airlines bekommen hatte, suchte ich mir noch meinen Sitz aus. Dass ich wieder in der Flagship-Class über den Atlantic fliegen würde, war so gut wie ausgeschlossen. Aber die Sitzplatzbelegung beim Interkontinentalflug zeigte auffällig viele freie Sitze im hinteren Teil des Jets. Ich ging davon aus, dass sich diese nicht noch wie durch Zauberhand füllen würden und reservierte mir einen Fensterplatz in der hintersten zur Verfügung stehenden Reihe rechts, um allenfalls beim Anflug auf die Schweiz die Alpen sehen zu können. Ich hatte wirklich Glück und die ganze Sitzreihe für mich allein. Für einen Flug in der Holzklasse habe ich also ziemlich gut geschlafen.
Was bleibt?
- Der grösste Wunsch (und Hauptgrund für die Reise), nämlich einmal die Korona einer Sonnenfinsternis zu sehen, wurde erfüllt. Die paar Löcher in der Wolkendecke während der viereinhalb Minuten haben gereicht, dieses, ja, ergreifende Spektakel erleben zu können. Der Diamantring beim Eintritt in die Totalität ist das vielleicht schönste Naturereignis, das ich je gesehen habe. Leider habe ich davon kein Bild aufnehmen können, weil ich wegen der vielen Wolken die Aufnahmeposition nicht mehr nachjustieren konnte und die Sonne inzwischen aus meinem Fokus hinausgewandert war. Aber in meiner Erinnerung hat sich das Bild für immer eingebrannt.
- Viele der Flugzeuge, für die ich mich teils seit über 50 Jahren interessiere, einmal live aus der Nähe und im Flug zu sehen, war schon ganz grosses Kino. Die Thunderbirds erleben zu dürfen, wie sie mit äusserster Präzision die Formation halten bei nur 18 Inches (46 cm) Abstand, ist schon atemberaubend. Einige der erwarteten oder erhofften Flugzeuge waren nicht da, aber das war zu verschmerzen. Besonders stolz bin ich auf die Bilder mit kreuzenden Thunderbirds und der F-35 mit Überschallkegel.
- Texas. USA. Ich war nach 9/11 nur noch einmal mit Madeleine in den USA und seither seit 22 Jahren nicht mehr. Dabei hatte ich dort gearbeitet und den Atlantik mehr als hundertmal überquert. Ich war ein Fan dieses Landes und seiner Leute, aber mit der Wahl Donald Trumps 2016 ist etwas in mir zerbrochen und die weiter stetige Radikalisierung der Konservativen und Evangelikalen stiess mich geradezu physisch ab. Hier in Texas, mit einem fundamentalistisch konservativen Gouverneur (Greg Abott) und einem Trump-Jünger im Senat (Ted Cruz) spürt man von all dem nichts. Ich habe während dem ganzen Aufenthalt keine Zivilperson mit Schusswaffe gesehen oder einen Pickup mit einer Trump-Flagge. Die vordergründige Herzlichkeit der Menschen hat nicht geändert und man kommt sehr einfach in Kontakt mit den Leuten. I Still Love it.
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