Das lateinische Motto stammt nicht aus der Römerzeit, sondern ist, allerdings verkürzt, ein Grundsatz der Benediktiner Klöster aus dem Spätmittelalter. Als Titel taugt der anachronistische Ausdruck aber trotzdem.
Das hat zwei Gründe: Erstens sollte der Aufenthalt im Tessin sowohl Genuss (statt beten) wie auch Arbeit beinhalten und zweitens habe ich mit meinem Gastgeber, Martin Ganz, vor 53 Jahren die Schulbank gedrückt. Zusammen haben wir die ersten Schritte in die Welt der lateinischen Sprache gemacht (das Lehrbuch dazu, falls es jemanden interessiert, gibt es immer noch: Eduard Bornemann, Lateinisches Unterrichtswerk). Ich könnte daraus sogar die ersten paar Zeilen noch auswendig zitieren, was weniger meinem fantastischen Erinnerungsvermögen, als vielmehr meiner traumatischen Aversion geschuldet ist.

Danach haben sich unsere Wege getrennt bis zum ersten Klassentreffen 2019. Martin hatte nach seinem Abschluss in Geschichte und bewegter beruflicher Laufbahn vor zehn Jahren den Schritt gewagt und sich als Schreiner selbständig gemacht. Darüber hinaus ist er als seriöser Ornithologe viel mit seiner Kamera unterwegs und war in «jüngeren» Jahren begeisterter Berggänger und Skitourenfahrer. Da sind überdeckende Interessen unschwer zu erkennen.
In Mergoscia bewirtschaftet er zudem das Familienferienhaus und war dort mit der Frage konfrontiert, was er wohl mit dem Nussbaum, der ihm vom angrenzenden auf sein Grundstück gestürzt war, anfangen soll. Nun, als Schreiner hat er dazu natürlich seine Ideen, das grosse Problem war aber die Bergung des rund 6 m langen Stammes mit einem Durchmesser zwischen 60 bis 40 cm. Insbesondere, weil der tonnenschwere Stamm in einem steilen Hang liegt, der maschinell nicht ohne grösseren Aufwand erreicht werden kann. Bis das Holz verarbeitet werden könnte, müsste es noch gut zwei Jahre trocknen. Eine Investition mit unsicherem Ausgang. Ausser jemand hat schon eine konkrete Vorstellung, was damit passieren soll.
Ich hatte keine, wäre aber bereit gewesen, Martin bei der Räumung zu unterstützen. Aber erstens gibt es in einem solchen Anwesen sowieso immer noch etwas anderes zu tun und zweitens war es eine überaus attraktive Aufgabe: Die Erweiterung des Gartenschuppens.
Zuerst der Genuss
Entgegen dem Sprichwort «Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen» legten wir mit dem dolce far niente los. Das war aber eher der Tatsache geschuldet, dass wir auf der Terrasse intensive Gespräche führten und es irgendwann zu spät war, um noch mit der Arbeit zu beginnen. Etwas hatten wir aber bereits erledigt:



Tag 2. Weiter mit Genuss
Eigentlich war nur ein kurzer Spaziergang geplant, um in eine bessere Beobachtungsposition für die seltenen Schlangenadler zu kommen. Wir stiegen höher und höher. Dabei passierten wir auch die Hauptkirche von Mergoscia (Endstation der Buslinie 312 von Locarno).











Wir waren um 8 Uhr ohne Frühstück losmarschiert, inzwischen war es schon weit über Mittag. Und den Schlangenadler haben wir auch nicht gesehen. Verschwitzt waren wir, aber gearbeitet hatten wir noch nichts. Höchste Zeit also. Aber erst einmal ein spätes Frühstück mit anschliessender Siesta…

Tag 3. Weiter mit Genuss
Ich musste um 14:21 den Zug in Tenero erwischen, also hatten wir nicht mehr allzu viel Zeit für den Anbau. Es ging ja vor allem um das Dachmodul, das von einer Person alleine nicht auf den Rahmen gehoben werden kann. Aber auch der Rahmen stand noch nicht.



Wir wurden zwar noch kurz unterbrochen (und waren glücklich darüber):



Auch die Arbeit selbst war eben ein Genuss. Es war ein richtiges Vergnügen. Vor allem auch eindrücklich, wie man sich gegenseitig positiv fordern kann und so zu Lösungen findet, die vorher undenkbar waren. Vom eingekauften Holz gab es praktisch keinen Verschnitt, obwohl wir die «Stückliste» quasi im Kopf erstellt hatten.