Schon lange, bevor das Stockhorn für mich eine besondere Bedeutung hatte, war da die Rigi.
In Aeugst am Albis, wo ich die ersten sieben Jahre meines Lebens verbrachte, lag sie quasi vor der Haustüre und war bei einigermassen klarer Sicht immer zu sehen.
Ich war schätzungsweise etwa fünf Jahre alt, als mir nach einem Sturz aufs Maul auf dem Weg vom Rigi Kulm zum Kaltbad so ein richtiger Rüssel wuchs. Lippen aufspritzen war damals noch kein Thema, aber um die Instant-Wirkung hätten mich wohl viele beneidet.
Vor über 50 Jahren stand ich da in den Sportferien mit meiner Mutter auf den Skiern und bei unseren häufigen Fahrten ins Tessin markierte die Rigi majestätisch den Beginn der Alpenregion.
Das letzte Mal verbrachten wir im Februar 2019 einen Familienschlitteltag auf der Rigi.
Und was hatten alle die Besuche bisher gemeinsam? Sie erfolgten mit der Bahn. Mit den Zahnradbahnen von Vitznau oder Arth-Goldau oder der Luftseilbahn von Weggis aus. Das sollte sich heute ändern.
Solche Touristenmagnete sind ja normalerweise dafür ausgerichtet, alle noch so abstrusen Wünsche der Besucher erfüllen zu können, ob aber die Besteigung zu Fuss auch dazu gehört, wage ich eher zu bezweifeln. Viel Schnee war ja selbst in diesen Höhenlagen Mitte Dezember nicht zu erwarten, aber die Schneeschuhe packte ich zur Sicherheit einmal mit ein.
Dass man nicht gerade mit der scheinbar hirnrissigen Idee rechnet, dass jemand zu Fuss auf die Rigi gelangen möchte, zeigt sich schon beim Losmarschieren vom Bahnhof Arth-Goldau: Kein Hinweis, kein gelber Wegweiser, der den Wanderer auf den richtigen Pfad führen würde. Zum Glück hatte ich die Vorbereitungen in SchweizMobil gemacht, darum war ich nicht drauf angewiesen, obwohl ich es grundsätzlich schätze, nicht immer auf das kleine Endgerät angewiesen zu sein.
Das Wetter machte einen ambivalenten Eindruck. Die Sonne drückte, aber würde es, wie am Vortag, reichen?
Ab ca. 1’100m war an ein Fortkommen ohne Schneeschuhe nicht mehr zu denken. Und es zeichnete sich ab, dass es eine eher mühsame Sache werden würde. Der Schnee war knietief und nass.
Plötzlich befürchtete ich noch, dass ich eventuell auch wieder zu Fuss absteigen muss. Ich hatte mich im Vorfeld nicht um die Verbindungen gekümmert, was in Corona-Zeiten nicht sehr schlau ist und ich hatte während des gesamten Aufstiegs bisher keinen Zug der Arth-Rigibahn gesehen. Nun, zur Not würde ich es auch noch ins bewohnte Kaltbad schaffen, die Seilbahn nach Weggis ist ganzjährig in Betrieb. Aber so weit kam es dann glücklicherweise nicht.
Die Rundsicht war, trotz durchzogenem Wetter gigantisch. Und ich war, bis auf zwei Swisscom-Techniker, der einzige Mensch auf dem Rigi Kulm.
Glücklicherweise fuhren die Züge der Rigibahnen, wenn auch sicher mit geringerer Frequenz, als wenn Hotels und Restaurants auf dem Kulm geöffnet gehabt hätten. So blieb mir Zeit für ein Bier und eine Wurst im Snack-Stand der Bahnstation. Draussen zu sitzen war kein Problem, es war windgeschützt und nicht allzu kalt, auch weil immer wieder die Sonne durchdrückte und die Sonnenstrahlen sofort spürbar wärmten. Ich musste mich noch in die Corona-Liste des Snack-Standes eintragen, ich war um halb Eins am Mittag erst die dritte Person. Schwierige Zeiten.
Kurz vor Abfahrt lag das Areal dann in der Sonne und bei Beckenried spiegelte sie sich im Vierwaldstättersee.
Die Stille während des Aufstiegs, ein leerer Rummelplatz auf dem Gipfel – das war eindrücklich und wird auch hängen bleiben. Die Enttäuschung über das nicht optimale Wetter hält sich in Grenzen – und, wenn ich in Zukunft an der Rigi vorbeifahre, werde ich den Berg mit ganz anderen Augen sehen.