Was für die einen «need for speed» ist, ist für mich eher «urge of altitude». Ich fühle mich wohl in den Bergen und ab 3’000 Metern beginnt es so wirklich zu rocken. Das ist jetzt vielleicht nicht ganz so altersgerecht formuliert, aber mit diesem Anachronismus kann ich leben. Auf der anderen Seite bin ich nicht so der Hütten-Typ und versuche sie zu vermeiden, auch wenn sie inzwischen teilweise schon fast Hotel-ähnlichen Komfort bieten (z.B. Monte Rosa-Hütte). Klettersteige andererseits sind meist auf Tagestouren ausgelegt und wenn sie auf grosse Höhen führen, dann ist das schon beinahe die Quadratur des Kreises. Vielleicht ist das jetzt etwas übertrieben, aber auch damit kann ich leben…
Der Lötschberg-Basistunnel ist ja eigentlich das politische Geschenk an die Westschweiz, damit man Chancen hatte, das Jahrtausend-Bauwerk Gotthard-Basistunnel zu bauen. Grundsätzlich waren diese Tunnel für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene vorgesehen, weil die alten Bahnstrecken zu steile Rampen hatten, die nur aufwändig, ineffizient und damit teuer bezwungen werden konnten (Doppeltraktion und allenfalls noch Schieber-Lok). Der Nutzen eines solchen Tunnels kommt aber erst wirklich zum Tragen, wenn die ganze Strecke durchgehend als «Flachbahn» ausgelegt ist, was auf Gotthard-Seite mit der Eröffnung des Ceneri-Basistunnels geschehen ist. Auf der Lötschbergseite ist nach dem Simplon Schluss: Die Rampe nach Domodossola ist nach wie vor zu steil und wird das so – nimmt man Italiens Umsetzung von Bahninfrastrukturprojekten der letzten 30 Jahre zum Massstab – auch in den nächten Jahrzehnten nicht ändern. Der nur auf zwei Dritteln doppelspurig geführte Lötschberg-Basistunnel (Ausbau geplant) hat aber die Voraussetzung dafür geschaffen, dass selbst vom hohen Schweizer Norden aus Tagestouren im Wallis möglich sind. Also auf nach Saas Fee!
Saas Fee hat den Nachteil, dass es nur per Bus erreichbar ist. Visp-Zermatt ist schon einiges komfortabler mit der Matterhorn-Gotthard-Bahn als Visp-Saas Fee mit dem Postauto. Aber das ist Klagen auf hohem Niveau. Vom Busterminal ist die Talstation des Alpin-Express in weniger als 10 Minuten erreicht.
Erstaunt war ich über den Ticketpreis: Mit Halbtax/GA kostete das Ticket von Saas Fee zum Mast 4 und zurück von Plattjen nach Saas Fee nur 20 Franken. Ich kenne da Orte in der näheren Umgebung, die langen da ganz anders zu…
Und dann der Stau. Nicht gerade so, wie am Hillary-Step am Mount Everest, aber es ging gefühlt nicht mehr vorwärts. Die drei Gründe für den Stau:
- Zu junger Kletterer. Der kleine Mann mühte sich redlich ab, aber er war für gewisse Stufen schlicht zu klein und musste jedesmal von seinem Vater hochgezogen werden.
- Zu alte Kletterin. So, wie sie sich bewegte deutete das nicht gerade auf «für einen Klettersteig bereit» hin. Nur schon das Umhängen der Sicherungskarabiner bereitete ihr körperliche (und auch mentale) Mühe und für den Fuss auf den nächsten Absatz zu stellen, benötigte sie oft mehrere Anläufe.
- Kein Vorbeilassen. Es gab genügend Stellen, wo absolut gefahrfreies Überholen möglich gewesen wäre. Und das macht man so in den Bergen. Man lässt die Schnelleren vor. Aber nur schon zu erkennen, dass man für alle ein Hindernis ist, setzt eine gewisse geistige Fitness voraus.
Ich hatte ja keine konkrete Vorstellung, wie schnell ich oben sein würde, aber auf den letzten 100 Metern verlor ich so sicher eine halbe Stunde.
Fazit: Ein untypischer, aber einfacher Klettersteig, der, trotz fast 500 Metern Höhenunterschied, keine grosse Kondition erfordert und kaum einmal wirklich ausgesetzt ist. Grandioses Panorama auf dem Gipfel und steiler, aber unkritischer Abstieg. Günstige Ticketpreise und beim Mast 4 das sauberste WC, das ich je in einer Seilbahnstation gesehen habe. Die Zugfahrt nach Visp ist kein Thema, die Postautofahrt nach Saas Fee nicht so meins, aber durchaus erträglich. Wiederholungsgefahr: Sehr hoch.