Fast 42 Jahre nach meinem letzten Flug in einer einmotorigen Maschine hatte ich die Möglichkeit, dies auf einer andern Stufe miterleben zu können – und wie!
Aber der Reihe nach. Nach dem Schatzmann-Fest in Meilen 2015 begann ich mich etwas mehr mit der Genealogie unserer Grossfamilie auseinanderzusetzen. Ich arbeitete mich über die noch lebenden Familienmitglieder in die Breite und Tiefe des Stammbaums und kam so zu Kontakten, mit denen ich seither einen lockeren Austausch pflege. Einer davon ist Lukas Schatzmann, Knochenschlosser, ein Neffe zweiten Grades.
Sein Profilbild auf WhatsApp liess den Schluss zu, dass er eine gewisse Affinität zur Luftfahrt zu haben schien, was sich als völlig untertrieben herausstellte: Er lebt quasi dafür…
Seinen Traum verwirklicht er mit einer AT-6A. Zur Luftfahrt habe ich ja schon auch eine gewisse Affinität. Ich hatte 1978 in einer AS-202 Bravo die Fliegerische Vorschulung (FVS) in Bern-Belp absolviert, die Alleinflugberechtigung, aber nie das PP (Privat Piloten-Brevet) gemacht. Nicht ganz zufällig arbeitete ich aber auch fast 20 Jahre bei der Swissair, war dabei viel in der Luft und oft auch im Cockpit. Auch sonst nahm ich jede Gelegenheit wahr, zu fliegen: Gleitschirm, Heissluftballon, Luftschiff, Helikopter, JU-52… Madeleine war nicht wirklich erfreut, dass ich unbedingt mit der bald 80-jährigen Maschine mitfliegen wollte.
Es kam, wie es kommen musste. Am Samstag, 8.8.2020 trafen wir uns das erste mal. Lukas hatte noch in der Praxis zu tun und holte mich am Bahnhof in Rothrist ab. Bei Lukas zuhause lernte ich auch noch seine Frau Natascha kennen, aber schon waren wir vollelektrisch Richtung Flugplatz Grenchen unterwegs.
In Grenchen stand die AT-6A HB-RTA zuhinterst im Hangar, was den Vorteil hat, dass sie nur bewegt werden muss, wenn sie gebraucht wird. Andererseits mussten aber zwei andere Flugzeuge weggestellt werden. Dank dem ferngesteuerten Raupenschlepper war das keine grosse Sache.
Nach der administrativen Flugvorbereitung hiess es Platz nehmen. Lukas‘ AT-6 ist mit Fallschirmen ausgerüstet, auch weil die Sitze so bequemer sind. Aber wenn vorhanden, dann müssen sie auch instruiert werden.
Bei sehr sommerlichen Temperaturen hoben wir kurz nach 12 ab. Schon bald merkte ich, dass gute Bilder nur gelingen werden, wenn die Haube geöffnet ist. Die Luftströmung ist in diesem Bereich ziemlich laminar, es braust als nicht der ganze Orkan ins Cockpit. Aber es ist verdammt laut (Wind und Motor). Das Intercom mussten wir auf manuell umstellen, sonst hätten wir uns nicht verständigen können.
Schon bald näherten wir uns dem Wendepunkt des phantastischen Fluges: Jungfraujoch. Auf Grund der hohen Temperaturen war nicht klar, ob es für die Überquerung reichen würde (mit der JU-52 mussten wir über dem Hüfifirn einmal umkehren, der Claridenpass war nicht zu schaffen – eine ähnlich Situation, die vermutlich zum Absturz am Piz Segnas führte). Aber da hatte ich vollstes Vertrauen…
Während der ganzen Zeit hatte ich das Canopy offen. Und obwohl auf über 3’500m und nur mit T-Shirt und kurzen Hosen bekleidet war es nicht kalt, aber, wie bereits erwähnt, einfach LAUT!
Zum nächsten Höhepunkt aber schloss ich die Kabine. Ich wollte ja nicht riskieren, meine Kamera zu verlieren. Rolle, Looping und Rollenkehre mussten überstanden werden.
Rollen war überhaupt kein Problem. Der Übergang im Looping in die Horizontale schlug mir schon etwas auf den Magen, aber durchaus erträglich.
An Fribourg vorbei steuerten wir den Militärflugplatz Payerne an und rauschten dort über die Piste, bevor wir über den Lac de Neuchâtel, Petersinsel und Biel wieder in Grenchen landeten.
Ich war nach dem Flug nudelfertig. Die intensiven Eindrücke, das Adrenalin, der Wind und der tosende Lärm machten mich ziemlich müde. Für den traditionellen Grillabend zum Ferienende hatte ich keine grosse Energie mehr. Aber was für ein Erlebnis!