Analoge Fotoalben sind etwas Sinnliches. Ein Buch in der Hand zu halten, das einen vielleicht schon über Jahrzehnte begleitet, längst vergangene Momente wieder aufleben zu lassen, sich tragen lassen von Emotionen, erzeugt aus dem wertvollsten Schatz, den ein Mensch haben kann, seinen Erinnerungen.
Selektiv habe ich mich schon häufig daran gemacht, einzelne Episoden zu digitalisieren, wenn man sie beispielsweise mit jemandem teilen wollte. Wenn die Negative noch vorhanden sind, dann kann man sie mit einem speziellen Negativscanner einlesen oder man gibt sie gleich auswärts. Da gibt es qualitativ hochstehende Angebote, die auch gleich die Entstaubung einschliessen und die Negative über eine plane Fläche ziehen.
Natürlich kann man das auch mit einem normalen Scanner machen, aber das ist eine zeitraubende Angelegenheit und liefert nicht wirklich gute Resultate. Bei Dias ist es noch komplizierter, weil bei einer Bombierung der Rahmen verhindert, dass das abzulichtende Bild völlig plan aufgenommen werden kann. Auch hier: Besser auswärts geben.
Aber meine rund 30 Fotoalben möchte ich nicht unbedingt auswärts geben, die fallen teils schon auseinander oder es haben sich Bilder gelöst, die ich dann ungern einzeln wieder einordnen möchte. Um die Digitalisierung selbst zu machen, gibt es grundsätzlich zwei Ansätze: Über einen Scanner oder mit dem Handy. Für beide Aufnahmegeräte existieren spezielle Apps, die einen dabei in unterschiedlichem Masse unterstützen, sich aber auch qualitativ unterscheiden.
Digitalisierung mit Handy
Auf der Reiatwanderung hat mir Christian Amsler erzählt, dass er begonnen habe, die unzähligen Fotoalben seiner Familie einzuscannen, ganz einfach mit dem Handy: Seite im Album abfotografieren, die App erkennt die Bilder und macht auch gleich gewisse Überarbeitungen wie Farben auffrischen, Farbstiche neutralisieren oder Staub und Kratzer entfernen. Natürlich dürfen hier keine Wunder erwartet werden, aber alte Alben unterliegen nicht den heutigen Ansprüchen aus den sozialen Medien und strahlen gerade auch durch ihre technische Unvollkommenheit Authentizität aus. Ich habe mir dann zwei Apps näher angeschaut (beide für Android und iPhone erhältlich):
- Google Fotoscanner. Mit dem Google Fotoscanner können nicht ganze Seiten auf einmal eingescannt, sondern jedes Bild muss einzeln erfasst werden. Das hat aber einen wichtigen Grund: Indem jeder Scan aus vier Einzelbildern zusammengesetzt wird, sind die Resultate absolut frei von Reflexen. Die vier anzufahrenden Erfassungspunkte werden auf dem Handydisplay angezeigt.
- Die Bilder sind absolut reflexfrei.
- Die Bilder sind lokal speicherbar.
- Die App ist gratis.
- Für gute Resultate muss sorgfältig gearbeitet werden, was ziemlich ermüdend wird.
- Das Einscannen eines ganzen Albums ist zeitaufwändig.
- Photomyne. Mit Photomyne geht es deutlich schneller. Hier kann seitenweise eingescannt werden und die Erkennung der Einzelbilder ist gut. Auch an der Qualität ist nichts auszusetzen, ausser, dass es unmöglich ist, ein Hochglanzbild ohne störende Reflexe aufzunehmen. Damit für mich unbrauchbar.
- Seitenweises Einscannen möglich mit guter Erkennung.
- Bilder sind (irgendwo?) in der Cloud.
- Störende Werbung und weniger Möglichkeiten in der Gratis-Version.
- Keine Eliminierung der Reflexionen bei Hochglanzbildern.
Digitalisierung mit Scanner
Bei der Digitalisierung mit einem Scanner sind die Einstellungsmöglichkeiten natürlich am grössten. Wobei auch hier keine Wunder zu erwarten sind. Vor allem ist es sinnlos, ein relativ grobkörniges und wenn möglich noch leicht unscharfes Bild mit einer hohen Auflösung einzuscannen. Die Qualität wird dadurch nicht besser, sie kann sich sogar gegenüber dem Original noch verschlechtern, wenn bei der weiteren Überarbeitung die Kanten der einzelnen Bildpunkte geglättet oder geschärft werden und nicht das gesamte Motiv. Wie bereits oben gesagt: An alte Aufnahmen sollten nicht heutige technische Ansprüche gestellt werden. Aber es gibt auch für PC-Scanner spezielle Software zum Erfassen von Fotoalben.
- Klassisch, das heisst: manuell. Hier sind die Möglichkeiten natürlich am grössten und mit entsprechendem Aufwand sind hier die besten Resultate zu erzielen. Aber durch einfaches Hochskalieren wird die Qaulität nicht besser, vielmehr liegen hier die Möglichkeiten in der gezielten Nachbearbeitung, sei das in Lightroom, Photoshop, NX Studio, CaptureOne, On1, darktable oder Affinity Photo.
- Beste Qualität.
- Sehr aufwändig und nur für Einzelbilder geeignet.
- AutoSplitter. Mit Autosplitter werden ganz Seiten eingescannt und danach automatisch in «Splits» (Bilder) aufgeteilt. Diese Splits können dann in einem eigenen Editor gleich weiterverarbeitet werden: Nachjustierung der Bildränder, Ausrichtung (auch Drehung um 90° oder 180° per Knopfdruck). Auch Metadaten (Bildbeschreibung und Aufnahmedatum) können eingegeben werden, was das Auffinden nicht nur über den Dateinamen, sondern auch über den Inhalt ermöglicht oder im Dateimanager eine chronologische Sortierung zulässt. Ich nütze diese zusätzlichen Möglichkeiten nicht, weil ich die Metadaten differenzierter und mit bestimmten Tags eingeben will. Das mache ich in Capture NX2, die Geo-Tags füge ich mit GeoSetter hinzu. Ein nicht ganz optimaler Workflow (wäre auch in einem der oben erwähnten Bearbeitungsprogramme direkt möglich), aber das ist ein anderes Thema…
- Beste Qualität.
- Gute automatische Korrekturen.
- Speditiv (~100 Bilder pro Stunde).
- Die App kann vor dem Kauf (29.99 US$ inkl. 2 Jahren Updates) voll ausgetestet werden, die Scans werden in dieser Phase einfach mit bildfüllendem Wasserzeichen versehen.
Fazit: Es gibt verschiedene Ansätze für gute Resultate, aber ohne Aufwand geht es nicht. Die Möglichkeit, alte Fotos in eine aktuelle Bildverwaltung zu integrieren, nach verschiedensten Kriterien zu gruppieren und auch mit anderen zu teilen, ist wunderbar.
Das Bild im Kopf zeigt die Skischulklasse im Januar 1967 in Engelberg mit mir ganz rechts aussen.
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