6 Planeten in einer Linie! Das kommt nur alle 20 Jahre einmal vor. Aber so, wie es angekündigt wird, meint man, eine perfekt ausgerichtete Linie von Venus, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun sehen zu können. Was natürlich schon daran scheitert, dass man Uranus und Neptun von blossem Auge gar nicht sehen kann und sie auch mit einem Teleskop zu lokalisieren gar nicht so einfach ist.
Es wäre wieder einmal ein astronomisches Phänomen, das man aus meteorologischen Gründen ohne weiteres verpassen könnte. So dicht und hartnäckig, wie sich der Hochnebel in den letzten 10 Tagen über dem Mittelland hielt… In der Höhe wäre die Chance wohl grösser, aber für einen Erfolg müssten noch andere Bedingungen erfüllt sein:
- Freie Sicht vom östlichen über den südlichen bis zum westlichen Horizont, weil die Elevation der Paradenteilnehmer nicht gerade hoch sein würde.
- Kein oder nur wenig Störlicht. Fremdlicht mindert den Kontrast des Sternenhimmels und macht es schwierig, feine Strukturen zu erkennen (z.B. die Planeten Uranus und Neptun).
- Übernachtungsmöglichkeit in Gehdistanz. Ich hatte weder Lust noch die Ausrüstung für ein Biwak unter freiem Januarhimmel in den Bergen.
Nebelfreie Orte gibt es zu Genüge, aber wenn sie in einem Talkessel liegen, dann sind sie für die Beobachtung dieser Konstellation nicht geeignet. Viele Berggasthäuser haben Winterpause (Schäfler, Stauberen, Alter Säntis, Brienzer Rothorn), andere waren ausgebucht (Rigi, Pilatus) oder zu weit weg. Da kam mir der Bonistock wieder in den Sinn. Ich hatte das Berghotel auf meiner Schneeschuhtour passiert (Melchsee-Kessel).

Online buchen ging nicht, aber telefonisch klappte es und ich machte mich ans Packen. In Erinnerung an die unendlichen Warteschlangen besorgte ich mir auch noch die Tickets für die Gondel- und Luftseilbahn Stöckalp – Melchsee-Frutt – Bonistock im Voraus. Das wäre zwar nicht nötig gewesen, weil ich erstens ausser Saison und zweitens am Nachmittag die Bahnen nützen wollte.

Der Nebel lichtete sich dann beim Erreichen des Melchtals, aber die Temperaturen waren in Stöckalp auf 1’000 Metern relativ mild. Zwei Minuten nachdem ich aus dem Postauto ausgestiegen war, schwebte ich schon Richtung Melchsee-Frutt. Von der Bergstation sind es gemäss Fahrplan etwa 20 Minuten zu Fuss bis zur Talstation der Pendelbahn auf den Bonistock. Dank nun doch deutlich tieferer Temperaturen auf rund 1’900 Metern war der Schneeweg auch mit schwererem Rucksack gut begehbar.


Etwas überrascht war ich schon, als mir beschieden wurde, dass ich der einzige Hotelgast wäre. Mir wurde ein Vierbettzimmer zur Alleinbenützung zugeteilt (es sind alles Mehrbettzimmer, Doppelzimmer gibt es nur im Sommer). Na ja, es hätte schlimmer kommen können.
Ich war schon einmal als einziger Passagier in der First Class von Zürich nach Washington geflogen, jetzt würde ich eben als einziger Hotelgast hier übernachten…
Die Essenszeit konnte ich mir ebenfalls aussuchen, der Chef Stefan Röthlin wäre sowieso bis Mitternacht im Office. So lange wollte ich dann doch nicht zuwarten. Aber da die ersten meiner Planeten gegen 20:30 Uhr hinter dem Horizont zu verschwinden drohten, einigten wir uns auf 21 Uhr.


In «meinem» Zimmer an der Wärme bereitete ich die Ausrüstung vor. Ich hatte sogar die Objektivheizung zusammen mit der grossen Powerbank mitgeschleppt, aber die würde ich nicht brauchen. Erstens war es nicht so kalt und zweitens sehr trocken und damit das Risiko für beschlagene Linsen gering.
Bei Belichtungszeiten bis max. 30 Sekunden musste ich die Kamera sicher fixieren. Dazu hatte ich mein grosses Stativ, das Sirui R-5214X mit RX-66C Mittelsäule und Manfrotto XPRO Stativkopf dabei. Eigentlich hätte ich lieber den Getriebeneiger-Stativkopf benützt, aber bei dem kann ich die Kamera nicht hochformatig einspannen (ich brauche dringend einen L-Winkel).
Sternenhimmel fotografieren
Das Fotografieren des Sternenhimmels oder Polarlichtern unterscheidet sich wesentlich von der Mondfotografie, vom Einfangen einer Sonnenfinsternis oder Deep Sky-Aufnahmen.
Weisst du, wie viel Sternlein stehen, an dem blauen Himmelszelt?
Nun ja, es sind einige. Aber eigentlich geht es hier nicht um die Anzahl, sondern um das Wort «stehen», ein eigentliches Wahrnehmungsparadoxon, das aber nichts mit Verschwörungstheorien zu tun hat: Die Anordnung der Sterne am Himmel scheint fix, obwohl sie sich voneinander entfernen und sich die Sicht durch die Erdrotation ständig verändert. Ersteres ist, bedingt durch die riesigen Distanzen, überhaupt nicht wahrnehmbar und beeinflusst die Fotografie in keiner Weise, letzteres muss aber berücksichtigt werden, wenn es auch von Auge nicht festzustellen ist.
Maximale Belichtungszeit mit der 500er-Regel
Je nach benützter Brennweite bzw. Aufnahmewinkel darf eine gewisse Belichtungszeit nicht überschritten werden, sonst werden die Sterne «verschmiert», das heisst, aus den funkelnden Punkten werden Striche.

Also bei einem 14mm-Weitwinkel-Objektiv könnte maximal 35 Sekunden belichtet werden. Aus meiner Erfahrung ist das aber schon viel zu lange. Persönlich wende ich die «250er-Regel» an.
Die Belichtungszeit ist der limitierende Faktor bei der Sternenfotografie, die weiteren Einstellung sind davon abgeleitet.
Grösste Blende einstellen
Um möglichst viel Licht auf den Sensor treffen zu lassen, ist die grösstmögliche Blende einzustellen (kleinste Blendenzahl). Deshalb ist es von Vorteil, ein lichtstarkes, aber deshalb auch teureres Objektiv zu benützen.
Der ISO-Wert entscheidet über die Helligkeit
Mit festgelegter Belichtungszeit und Blende gibt es nur noch eine Einstellung, mit der die Gesamthelligkeit gesteuert werden kann: Die ISO-Empfindlichkeit. Der ISO-Wert ist aber direkt mit dem Bildrauschen verknüpft: Je höher der Wert, desto mehr Bildrauschen. In der Astrofotografie begegnet man dem unerwünschten Effekt mit Stacking. Darauf möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, weil es für die Planetenparade wegen der grossen Spreizung nicht anwendbar ist, dazu unten.
Neben der immer höheren Auflösung von Kamerasensoren hat auch der Dynamikumfang zu- und das Rauschverhalten abgenommen. Bei einem Normwert von ISO 100 war in der Vergangenheit schon bei ISO 800 eine Grenze erreicht, bei der das Bildrauschen störend wurde. Heute sind ISO-Werte bis 5’000 ohne weiteres möglich, aber das Ziel ist natürlich nach wie vor, den Wert so tief wie nur möglich zu halten.
Die passende Helligkeit über die Erhöhung des Belichtungswertes in der Bildbearbeitung zu erreichen, um den ISO-Wert tief zu halten, ist nicht empfehlenswert: Einerseits kommen die Fehlpixel deutlicher zur Geltung, allfällige Sensorverunreinigungen akzentuieren sich und schwarze Bereiche werden unrettbar in die RGB-Farben zerlegt.
Damit sind die Abhängigkeiten von Blende, Belichtungszeit/Brennweite und ISO-Wert kurz umschrieben, aber was war denn die besondere Herausforderung für das Abbilden der Planetenparade?
Himmelspanorama
Die Antwort dazu liegt in der Anordnung der Planeten am Himmel.


Ein Superweitwinkel-Zoomobjektiv wie das Nikkor Z 14–24 mm 1:2,8 S hat einen horizontalen Aufnahmewinkel von 104°, es ist also gar nicht möglich, mit einer Aufnahme alle Planeten zu erfassen. Inzwischen bieten alle Bildbearbeitungsprogramme die Möglichkeit, aus Einzelaufnahmen Panoramen zusammenzusetzen. Nichts desto trotz müssen einige Bedingungen für ein nahtloses Zusammenfügen erfüllt sein. Während Tagespanoramen bei hohen Kontrasten problemlos sind, muss bei schlechteren Lichtverhältnissen sorgfältiger gearbeitet werden. Erstens sollten die Bilder alle in einer Ebene sein und zweitens jeweils eine grosse Überlappung aufweisen. Dafür braucht es ein stabiles Stativ mit Skala.
Ich hatte im Vorfeld einiges über Sternenhimmel-Panoramen gelesen und war erstaunt, dass die Software die Sternenbewegung gegenüber dem Horizont ausgleichen kann. Ich machte mehrere unterschiedliche Bildserien und letztlich hat sich das folgende Vorgehen bewährt:
Aufnahme
- Kamera auf Stativ und mit Fernlauslöser, um Erschütterungen zu vermeiden
- Kamera im manuellen Modus und Hochformat (der horizontale Aufnahmewinkel reduziert sich dadurch auf 84°)
- Belichtungszeit 15 Sekunden, Blende 2.8, ISO 1’600
- Manuelles Scharfstellen: Ein helles Objekt (Stern) in der Bildmitte auf dem Bildschirm maximal heranzoomen und dann die Einstellung suchen, bei der das Objekt am kleinsten ist
- 7 Bilder mit virtuellem Kamerahorizont in Bildmitte, jeweils 30° von links nach rechts weitergeschwenkt (diese Bilder würden sich für ein Panorama in Zylinderprojektion eignen)
- Zurückschwenken in die Ausgangsposition
- 7 Bilder mit effektivem Horizont im untersten Fünftel (Kamera nach oben geneigt), jeweils 30° von links nach rechts weitergeschwenkt
Die Bilder sollten zügig nacheinander aufgenommen werden, um möglichst wenig Versatz zu haben.
Postproduktion (Bildbearbeitung in Lightroom)
- Bilder Anwählen und Panorama in Kugelprojektion erstellen, allenfalls Randverkrümmung erhöhen (bis zum Maximum)
- Zuschnitt und Weiterverarbeitung
Trommelwirbel


Besser würde es nicht mehr werden. Saturn und Venus näherten sich bereits dem Untergang, also packte ich meine Ausrüstung zusammen und flüchtete zurück in die Wärme des Berghotels.
Was mich dann als einziger Gast im 250 Sitzplätze fassenden Restaurant erwartete, übertraf all meine Vorstellungen. Nicht nur wurde ich vom sehr freundlichen Chef persönlich bedient, das (Vegi-)Essen war hervorragend und reichlich.




Ich putzte alles weg, wohl wissend, dass ich die Zeche dafür würde bezahlen müssen. So reichhaltige Kost zu so später Stunde in meinem Alter hat nicht gerade die Wirkung eines Schlafmittels. So war es dann auch, aber das störte mich nicht, ich würde dann auf der Heimfahrt im Zug noch zur Ruhe kommen.





Den Platz musste ich mir mit einer Menge Leergut teilen, welches samt Benzinlader die Fahrt auf den Talboden machte.
Von da ging es dann zu Fuss zur Bergstation der Gondelbahn hinunter zur Stöckalp.
Die Umsteigezeiten in Sarnen und Luzern sind schon fast grenzwertig lang, aber nach dem erfolgreichen Übungsabschluss war mir das egal. Am 28. Februar steht ja schon die nächste Vorführung an: Dann wird auch noch der Merkur mit von der Partie sein. Der Bonistock ist natürlich wieder ein heisser Kandidat als Beobachtungsort, allerdings wird es dannzumal sicher auch noch andere Hotelgäste haben.
Zum Schluss noch dies:
