Nach der tollen Tour zur Monte Rosa-Hütte von vorletzter Woche realsierten wir bereits das zweite hochalpine Treffen. Diesmal traf ich Klaus in der Rothornhütte auf 3’197 Metern zum Bier.
Insgesamt waren 1’633 Höhenmeter ab Zermatt Bahnhof zu bewältigen. Charmant ist, dass man die auch gut etappieren kann, weil ziemlich genau auf halber Höhe das Berggasthaus Trift (Hotel du Trift, 2’337 m) liegt. So reiste Klaus bereits am Sonntag an und übernachtete in einer Einzelklause (einem unterteilten Doppelzimmer), um sich am Montag nach dem Frühstück an die nächsten fast 800 m zu machen.
Im Anstieg zum Mountain Hotel und Bergrestaurant Edelweiss überholte ich viele Leute, bei denen ich mir nicht sicher war, ob sie sich vielleicht nicht schon zuviel zumuteten. Jedenfalls sah ich, trotz dem phanstastischen Wetter, praktisch keine fröhlichen Gesichter: Bei Familien mit Kindern wollten diese nicht noch länger auf das versprochene Eis warten und quengelten und bei Paaren war eine gewisse Distanzierung bemerkbar, nicht nur physisch: Er wollte und sie musste. Aber immerhin: Sie alle taten etwas und wenn sie dann oben angekommen sind, dann waren sie wahrscheinlich auch stolz auf sich. An den Abstieg in den leichten Sneakers wollen wir jetzt einmal noch keine Gedanken verschwenden…
Nach dem Berggasthaus Trift tat sich nach einem kurzen Anstieg eine Hochebene auf, deren Weite mich, obwohl ich die Karten jeweils im Vorfeld intensiv studiere, erstaunt hat. Hier mäandrieren Bäche aus dem Rothorn- und Triftgletscher zusammen und bilden eine art alpine Auenlandschaft mit Sandbänken.
Danach beginnt der Aufstieg auf dem Grat dessen, was bei Eröffnung der Rothornhütte 1948 noch die linke Seitenmoräne des Triftgletschers war. Erst ein paar Jahre vorher haben sich Rothorn- und Triftgletscher getrennt, sonst wäre unterhalb der Hütte noch eine Gletscherüberquerung angestanden. Heute kann man sich den Zusammenhang mit dem inzwischen eher kümmerlichen Rest des Triftgletschers kaum mehr vorstellen.
In zahlreichen Kehren windet sich der Weg der Hütte entgegen. Es gibt auch einen Bypass für die besonders eiligen: Alles gerade, dafür aber ziemlich steil. Das tu’ ich mir nicht mehr an: Lieber etwas weiter gehen, abwärts wegen der Belastung der Gelenke und Muskeln sowieso.
Ab der Trifthütte haben sich Sonne und Wolken im regen Wechsel abgelöst, aber jetzt wurde es richtig kalt. Und zwas so kalt, dass ich etwa 200 m unterhalb der Hütte noch meine Goretex-Jacke anzog, um wenigstens gegen den beissenden Wind geschützt zu sein. Die Handschuhe hätte ich besser auch gleich übergestreift, dann wäre mir der Kuhnagel nach der Ankunft in der Hütte erspart geblieben. Das ist halt das Wetter auf dieser Höhe. Damit muss man immer rechnen.
Inklusive aller Foto- und Trinkpausen benötigte ich 3 Stunden 50 Minuten, was 426 Höhenmetern pro Stunde entspricht. Nicht gerade berauschend, aber O.K. Wäre sicher besser, wenn ich etwas leichter wäre. Daran muss ich arbeiten…
Ein gut gelaunter Klaus empfing mich oben, er hatte sich von den Aufstiegsstrapazen bestens erholt. Weil er schon so früh da war, hatten wir im unteren Schlafraum ein Einzel-Kajütenbett. Ich verstaute meine Ware, richtete mich ein und meldete mich an. Und damit begann dann auch der Chlausabend, auch wenn es erst kurz nach Vier war.
Die Hütte war ziemlich voll, aber es ging auch beim Nachtessen, trotz schon sehr beengter Verhältnisse, friedlich zu und her. Überwindung brauchte es dann eher, im stickigen und stinkenden Schlafraum in den Schlafsack zu kriechen. Es war ziemlich schnell Ruhe und ausser einem Kollegen aus dem östlichen Nachbarland schafften es alle, sich mit gedämpfter Lautstärke zu unterhalten.
Die Matratzen sind in Hütten normalerweise relativ dünn. Das hat bei mir regelmässig zu Hüftschmerzen in Seitenlage geführt. Auf dem Bauch kann ich nicht schlafen und auf dem Rücken schnarche ich, das Problem ist also vergleichbar mit der Quadratur des Kreises. Bereits in der Monte Rosa-Hütte hatte ich einen neuen Ansatz verfolgt: Auf dem Rücken mit dem Kopf angewinkelt wie zum Lesen. Wenn ich es zuhause im Bett mit einem Buch in der Hand schaffe, einzuschlafen, dann müsste das auch hier möglich sein. Es scheint funktioniert zu haben, jedenfalls habe ich keine Beschwerden gehört. Und auch sonst war die Nacht praktisch «schnarchfrei». So etwas habe ich noch nie erlebt.
Dafür wurde es saukalt. Zuerst glaubte ich, jemand hätte das Fenster aufgemacht, um nicht zu ersticken, aber dem war nicht so. Die Kälte und das Bier taten ihr Übriges und zwangen mich gegen ein Uhr aus dem Bett auf eine Toilette, wie ich sie doch ach so liebe: Ein aussenliegendes Plumpsklo. Seit 74 Jahren wird hier also über den Fels hinabgeschissen – nur schon deshalb rechtfertigt sich der geplante Neubau.
Beim Rückweg vom WC wurde ich fast erschlagen: Von der Milchstrasse, die sich hinter dem Trifthorn in den Himmel schraubte. So klar und intensiv hatte ich das von blossem Auge noch nie gesehen. Ich überlegte mir, noch die Kamera zu holen, aber ich hatte ja mein «Sternenobjektiv» (NIKKOR Z 14-24mm f/2.8 S) aus Gewichtsgründen nicht dabei. Wenn sich die Tourengänger auf den Weg machen, kann ich ja immer noch. Aber jetzt wollte ich zurück in die stickige, relative Wärme. Interessanterweise war kein übler Geruch mehr festzustellen und mit einer zusätzlichen Jacke und einer doppelt gefalteten Wolldecke fror ich auch nicht mehr.
Kurz vor vier ging dann das Gerumpel los, der Dieselgenerator startete und es wurde Licht gemacht. Zeit, mit der Kamera nach draussen zu gehen. Und zwei Stunden später wieder für den Sonnenaufgang. Obwohl mit einigen Unterbrüchen, kann ich mich nicht erinnern, je so gut in einer Hütte geschlafen zu haben.
Nach dem Frühstück machten wir uns für den Abstieg bereit, den wir wieder getrennt unter die Füsse nehmen wollten. Klaus machte noch einen kurzen Abstecher auf das Plateau des Triftgletschers.
Abstiege sind definitiv nicht mein Ding, deshalb ging ich es sachte an, benötigte aber trotzdem nur zwei Stunden 50 Minuten. 200 m über Zermatt begannen die Oberschenkel zu brennen. Selber schuld. Ich bin einfach (noch) zu schwer. Bevor ich mir überhaupt wieder Gedanken mache über grössere Touren, werde ich abnehmen müssen…
Dass die Matterhorn-Gotthard-Bahn mit Verspätung in Visp eintrifft, bin ich inzwischen gewohnt, der Anschluss an den IC8 nach Zürich klappte trotzdem.
Wiederum eine tolle Tour, die Lust auf mehr macht. Nicht Blut und Tränen, aber Schweiss wird damit verbunden sein.
Ich war das erstemal mit meinem neuen Rucksack, dem Mindshift Rotation Pro 50L+ Backpack, unterwegs. Nach den guten Erfahrungen mit der kleineren Variante habe ich nun endlich einen Fotorucksack für Mehrtagestouren oder, alternativ, zusätzliche Fotoausrüstung. Ein Super-Teil, das auch auf der Hütte für Aufmerksamkeit sorgte. Meinen f-stop-Rucksack, mit dem ich aber grundsätzlich sehr zufrieden war, habe ich auf Ricardo verkauft.