Luxus, ein Begriff, der seit jeher fasziniert und polarisiert. Was genau macht etwas zu Luxus? Ist es der hohe Preis, die exklusive Verfügbarkeit oder die besondere Qualität? Oder geht es um etwas viel Tieferes, um ein Gefühl von Erfüllung und Sinnhaftigkeit?
Erfüllung? Vielleicht. Exklusivität? Irrelevant. Sinnhaftigkeit? Bedingt. Zeit? Auf jeden Fall. Stichwort: «Nicht müssen». An einem schönen Ort zu sein mit einem Herzensmenschen und nicht von äusseren Zwängen getrieben zu sein, das ist Luxus!
Seit 2005 waren wir, mit ein paar Unterbrüchen, jedes Jahr in Sardinien, zuerst mit Kleinkindern, dann Schulmädchen, Teenies und schliesslich schon bald erwachsenen Töchtern. Mit einer Ausnahme immer im selben Ort, Costa Rei, im Südosten der Insel und seit 2017 immer im selben Haus, der Villetta 3 an der Via delle Palme 19, mit direktem Zugang zum Strand.
Wir nützten jeweils die Zeit Ende September, Anfang Oktober als «Sommerverlängerung». Die Tage waren zwar schon kürzer und die Nächte kühler, aber die Tagestemperaturen waren durchaus sommerlich und, vielleicht noch wichtiger, das Meer hatte auch noch um die 25°. Die Saison war gerade zu Ende gegangen und auf dem breiten Strand hatte es viel Platz, nur am Wochenende zog es vor allem Tifosi noch ans Meer. Das hatte durchaus auch Nachteile: Die Apotheke machte normalerweise bereits Winterpause, die Einkaufsläden fuhren ihr Sortiment, vor allem auch Frischwaren, deutlich zurück und viele Restaurants hatten bereits geschlossen.
Aber irgendwie störte uns das nicht. Wir waren als Familie hier und zufrieden mit dem, was wir hatten. Zeit für uns. Meist waren auch noch befreundete Familien vor Ort, Meiers, die uns hierher gebracht hatten und Zehnders, die wir hierher «locken» konnten. Aber keine Pläne, keine Verpflichtung, etwas zu unternehmen. Natürlich hatten wir uns im Vorfeld jeweils auch kundig gemacht, was denn so alles in der Umgebung sehenswert wäre. Aber lange Jahre sind wir mit Auto und Fähre über Oliba nach Sardinien gekommen und mit der dreistündigen Fahrt vom Norden in den Süden hatten wir es dann auch schon etwa gesehen. Ja, wir ernteten teilweise auch Unverständnis, wenn unsere Antwort, was wir denn so planen würden, lautete «nichts».
Die Planung war zu Schulzeiten der Kinder mindestens zeitlich klar: Die Feriendaten waren lange im Voraus bekannt. Jetzt im Studium ist das nicht mehr so einfach und es hat heuer leider nicht geklappt. Anstatt zu viert (+) sind wir jetzt nur zu zweit hier. Es ist vielleicht auch ein Beitrag an den zweiseitigen Ablöungsprozess. Natürlich hätten wir die Kinder gerne hier, aber ihre Abwesenheit betrübt uns nicht. Das Mietauto konnten wir quasi in letzter Sekunde noch auf ein kleineres Modell umbuchen, die Villetta, für zwei Personen eigentlich viel zu gross, wollten wir auf jeden Fall behalten. Nach so vielen Malen ist es auch immer wieder ein Heimkommen an einem anderen Ort.
Anreise
Auch das gehört irgendwie dazu: Früh aus den Federn. Unser Zug an den Flughafen via Winterthur fuhr um 03:55 ab. Da ich aber das Gepäck bereits am Vorabend einchecken konnte, war das eine entspannte Sache. Madeleine hatte, wie schon mehrmals erfolgreich, das Mindestgebot für den Business-Upgrade abgegeben und den Zuschlag erhalten. Es ist zwar nur ein kurzer Flug und die Vorteile sind überschaubar, aber nur schon richtiges Besteck für das Frühstück zu erhalten ist doch heute auch schon Luxus…
Es waren nur vier Personen im Abteil, also endlich die Möglichkeit eines Fensterplatzes für alle (böse Zungen behaupten immer wieder, ich wäre auf Fensterplätze abonniert – das stimmt aber gar nicht: Sie werden mir immer angeboten, weil ich einfach gerne rausschaue und fotografiere). Tja, leider gab es nicht viel zu sehen, bis an die ligurische Küste war Blindflug und nach Korsika war es auch wieder bedeckt bis kurz vor der Landung.
Kurz nach Acht Uhr waren wir gelandet, hatten aber keine Eile, weil unser Haus sowieso erst um 14 Uhr bezugsbereit sein würde. Also genügend Zeit, unseren Mietwagen abzuholen, was dann aber schon zu einer etwas grenzwertigen Geduldsübung wurde. Die einzige Schalterperson von Viaggiare Rent war mit den vier oder fünf Kunden total überfordert. Der Grund war ein hoffnungslos ineffizienter Prozess. Wir hatten ja online gebucht und alle notwendigen Angaben inklusive Kopien der Führerausweise bereits übermittelt. Was uns nicht davor bewahrte, alles nochmals in Formulare eintragen zu müssen, die dann – Achtung, jetzt kommt’s – von der bemitleidenswerten jungen Frau wieder abgetippt wurden. Willkommen im 21. Jahrhundert! Weil ohne Kinder angereist konnten wir wenigstens noch die Fahrzeuggrösse nach unten korrigieren und bekamen einen Renault Twingo. Putzges Kistchen, in dessen Kofferraum genau einer unserer Koffer Platz hatte und dessen Tankuhr nur noch einen halbvollen Tank anzeigte. Trotzdem wollten wir noch unseren traditionellen Inititaleinkauf im Carrefour in Quartu Sant’Elena machen. Auf Grund von Meldungen über Autoeinbrüche teilten wir uns auf: Zuerst kaufte Madeleine alles ein, was wir zum Leben brauchen würden und ich blieb beim Auto, danach wechselten wir und ich stellte noch sicher, dass auch genügend Bier (Ichnusa Non Filtrata und Limone) vorhanden war.
Ein kleines Problem gab es dann noch mit dem Navi: Android Auto funktionierte zwar einwandfrei, aber die Verbindung zwischen Smartphone und Auto brach immer wieder ab (einfache Ursache: Steckerverbindung verschmutzt). Das war aber nur, bis wir aus Quartu Sant’Elena rausgefunden haben (irgendwie können wir uns das nicht merken), danach war uns der Weg bekannt.
Zuhause angekommen
Auch das ist Luxus: Man kommt an einem Ort an und alles wirkt vertraut. Die Hausverwaltung kommt nicht einmal mehr vorbei, weil wir uns schon lange kennen. Es ist keine Akklimatisation notwendig, man kann direkt in den «Genussmodus» wechseln. Eine kurzer Strandbesuch, ein Gläschen Wein (Cannonau natürlich) und schon kann man nahtlos an die Eindrücke und Erinnerungen anknüpfen, die uns mit diesem Ort verbinden.
Traditioneller Morgenschwumm
Zum Schönsten am Aufwachen in Costa Rei gehört das Bad im Meer zum Sonnenaufgang. Während man Ende September, Anfang Oktober aber dazu bis nach Sieben Uhr Zeit hat, musste man jetzt vor Sechs Uhr bereit sein und es würde noch früher werden.
Während uns die Bewässerungsanlage in den andern Jahren nicht behinderte, war es diesmal eine echte Herausforderung: Der Gang durch den Garten glich einem Spiessrutenlaufen, um den Schwenkdüsen auszuweichen, die immer um 05:45 aktiv wurden. Ich hatte im Vorfeld Bedenken, ob wir denn ähnlich angenehme Wassertemperaturen wie im Spätsommer antreffen würden und ich wurde nicht enttäuscht. Das Wasser hatte um die 22° und das war auch am frühen Morgen ausreichend, insbesondere auch, weil man sich anschliessend unter der beheizten Aussendusche wieder aufwärmen konnte. Bis auf zwei Tage war ich jeden Morgen im Wasser und brachte schliesslich auch Deyly, die «Lady am Strand» dazu, es mir gleichzutun.
Die Maschinerie kommt auf Touren
In den vergangenen Jahren riskierten wir immer wieder Einkaufsläden, die auf das Saisonende hin ihr Angebot ausgehen liessen oder sogar bereits geschlossen hatten und auch das gastronomische Angebot war deutlich reduziert. Damit konnten wir aber sehr gut leben, weil es im Gegenzug ja fast keine Leute mehr hatte, abgesehen von den Wochenenden, an denen hauptsächlich Italiener die letzten Stunden am Strand verbringen wollten. Die Liegestuhlreihen waren abgebaut und der man hatte den Eindruck, dass einem der grosse Strand allein gehöre. Das war diesmal ganz anders: Alle Läden und Restaurants offen, der Strand mit Liegestühlen in Rimini-Manier verbaut, aber mit längst ausreichend freien Flächen. Nur: Die Leute waren noch nicht da.
Was für ein Luxus: Das volle Angebot ohne Dichtestress. Wo gibt’s denn heute noch so etwas?
So macht es auch Spass, Neues auszuprobieren, wie z.B. «Jessy Beach». Na ja, so neu ist jetzt Jessy Beach auch nicht mehr: Seit 2018 wird neben «unserem» zu einem Luxusbungalow umgewandelten Restaurant Escargot gewirtet. Es war uns aber immer etwas zu «Ballermann-like» und deshalb haben wir es gemieden. Bis jetzt.
Die Flaggen verhiessen Deutschen Biergenuss (der Inhaber ist Deutscher), aber leider bewahrheitete sich meine schlimmste Befürchtung: Erdinger Weissbier… Aber in der Not frisst der Teufel Fliegen und bei dem Ambiente passte es auch so.
Milchstrasse im Garten
Immer wieder faszinierend ist der klare Nachthimmel. Und während man in der Schweiz eigentlich nur in abgelegenen Alpenregionen die Schönheit der Milchstrasse bewundern kann, reicht hier ein Schritt in den Garten. Sie ist einfach da, ohne längere Angewöhnungszeit. Was leider sehr störend ist, sind die vielen Fremdlichter. Ganze Strandabschnitte werden die Nacht über in Flutlicht getaucht und dies ist sehr störend. Deshalb machte ich mich mit dem Auto auf die Suche nach einem Aufnahmeort ohne Lichtverschmutzung. Ich fuhr einen über 20km langen Rundkurs und wurde nicht fündig. Gegen Ende landete ich doch wieder am Strand…
Auch das ist Luxus: Ein Naturspektakel umsonst und direkt vor der Haustür.
Heiss
Wir hatten immer wieder einmal sehr heisse Tage, aber ich wage mir nicht vorzustellen, wie es sein wird, wenn dann der Sommer im Juli so richtig einfährt.
Kein Druck, am Strand auszuharren, nur weil man jetzt schon mal da ist. Einfach abkühlen im Haus, in zwei Minuten ist man wieder am Meer. Was für ein Luxus!
Nicht ganz so erfreulich war das Ameisenproblem, das unvermittelt auftauchte und erst nach drei Tagen wieder endgültig erledigt war. Durch eine Ritze im Schlafzimmerboden wand sich eine Ameisenstrasse, die uns nötigte, das Nachtlager zu wechseln. Platz hatte es, wir waren ja alleine. Nachdem der Spalt dann mit Silikon abgedichtet war, verschwand das Problem innert Tagesfrist und wir konnten in den «Master Bedroom» zurückkehren.
9 von 10 Rom-Punkten
Selber kochen oder auswärts essen? Die Antwort darauf finden wir gemeinsam – immer. Und zwar nicht als Negativ-Entscheid gegen das eine oder andere, sondern stets als Option nach dem Lustprinzip. Die Zutaten hier sind so erstklassig, da macht es Spass, selbst zu kochen und der Aufwand für den Abwasch ist bei zwei Personen überschaubar.
Ja, wir haben überwiegend «zuhause» gegessen und dabei der Italianità gefröhnt, inklusive Dessert.
Und die wenigen Male auswärts waren fantastisch. Als ich letztes Jahr mit unseren Töchtern in Rom war, lernten wir dort die perfekte Pizza kennen. Die Skala geht bis 10. Was uns im im Rey Oasi aufgetischt wurde, hatte sehr grosse Klasse.
Gewitter über dem Meer
Gewitter über dem Meer sind spektakulär. Vom sicheren Strand aus und in Trockenheit lässt sich ein weiteres urgewaltiges Naturschauspiel beobachten, ohne sich dabei einer Gefahr auszusetzen. Das hatten wir hier schon schon mehrfach erlebt. Die Bilder sind zwar dieses Mal nicht so spektakulär ausgefallen, dazu war die Gewitterzelle nicht genug kräftig.
Vertreibung aus dem Paradies
Die wunderbare Zeit des Nicht-Müssens ist immer viel zu schnell vorbei. Wir hätten es locker noch ein Weilchen ausgehalten. Oder zwei, drei…
Wir hatten nur einen Tag, an dem es vorwiegend bedeckt war und sonst immer einfach prächtiges Wetter, manchmal etwas windig. Aber auch das gehört dazu.
Der Abflug war für nach 21 Uhr geplant und stellte uns somit vor zwei Herausforderungen:
- Check-Out in Costa Rei war um 13 Uhr, wie überbrücken wir die Zeit bis dahin?
- Bei einer verspäteten Ankunft in Zürich würden uns dann langsam die Verbindungen nach Schaffhausen ausgehen.
Aber mit Freundlichkeit und «a little help from my friends» konnten wir die Sache ganz entspannt angehen.
Madeleine organisierte ein Late Check-Out, so dass wir bis 17 Uhr im Haus bleiben konnten und so eigentlich noch einen vollen Tag zur Verfügung hatten (abgesehen von den rudimentären Reinigungen und der Abfallentsorgung in der Sammelstelle). Das war auf jedem Fall besser, als die ursprüngliche Idee, nämlich nach Cagliari zu fahren und zu flanieren. Warum besser? Weil das Risiko, ausgeraubt zu werden, real ist. Ich war ja zu Beginn noch etwas skeptisch diesbezüglich, als wir uns beim Initialeinkauf im Carrefour aufteilten. Als wir dann aber später im Flugzeug ein Päärchen aus Weinfelden trafen, das unfreiwillg im «Travel light»-Modus unterwegs war, ist das schon etwas eingefahren. Sie hatten auch noch Zeit übrig und ihren Mietwagen mit allem Gepäck am Strand parkiert. Als sie zum Auto zurückkehrten, war die Scheibe eingeschlagen und alles, wirklich alles weg. Das einzige Papier, das sie hatten, war eine polizeiliche Bestätigung, aber das reichte als universelles Reisedokument. Edelweiss setzte sie aus Mitleid sogar in die Business.
Trotz der leichten Abflugverspätung kamen wir vorzeitig an, also wäre die Verbindung nach hause kein Problem gewesen. Aber wir wurden mit einem Limousinenservice verwöhnt. Welch ein Luxus! Dominique und Cornel hatten sich, trotz später Stunde, anerboten, uns im Tesla Y nach Schaffhausen zu chauffieren. Kein Umsteigen, rund eine Stunde früher im Bett – was für ein Geschenk. Ganz herzlichen Dank nochmals an dieser Stelle.
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