Anstrengender Spaziergang

Ich war etwas in der Zwickmühle: Für den einzigen schönen Tag der Woche bietet sich der Alpstein an. Welche Routen möglich sind, war unsicher. Die Ebenalpbahn ist in Revision und auf die Ebenalp wollte ich nicht hoch, das ist langweilig. Beim Hohen Kasten bestand das Risiko, festzusitzen und auch mit der Bahn wieder runter zu müssen. Also Seealpsee, was bedeutete: Keine Sonne und eventuell sogar Nebel. Es war fantastisch, aber extrem anstrengend.

Den Weg zwischen Wasserauen und Seealpsee versuche ich, wenn möglich, zu vermeiden, vor allem im Abstieg. Hauptsächlich aus zwei Gründen: Die Fahrstrasse ist sehr steil und unangenehm zu gehen und in der schneefreien Zeit voll mit Menschen an ihrer Leistungsgrenze, die sich teils mit Filp-Flops zum Berggasthaus Seealpsee oder der Forelle hoch- und dann auch wieder runterquälen. Schlimmer ist im Alpstein eigentlich nur noch das Brüeltobel…

Es war zwar ein sonniger Tag prognostiziert und gegen Osten taten sich auch einige Lücken auf, aber wirklich überzeugt war ich noch nicht. Auch nicht in Appenzell, wo man einen ersten scheuen Blick Richtung Brülisau und Schwende erhaschen kann. Über dem Appenzeller Sämtis schien es noch Hochnebel zu haben, der Alpstein war schwer einzuschätzen.

Und dann das beim Ausstieg in Wasserauen: Klares, herrliches Wetter, der Mond über der Bogartenlücke und bald würde auch die Sonne aufgehen.

Am Schwendebach. Die ersten Sonnenstrahlen erreichen den Lisengrat. Nach dem Kraftwerk Rässenaueli war dann auch nicht mehr gepfadet und der Weg mit einem Hinweis «Alpines Gebiet» (halbherzig) versperrt.

Noch nie war der Weg von Wasserauen zum Seealpsee so schön: Nur Spuren von Skitourengängern und sonst nichts. Man kam ohne Steighilfe gut voran.

Aber auch der Blick zurück beim Kobel lohnte sich: Fähnerenspitz in der Morgensonne.

Ageteplatte und Säntis in der Morgensonne.

Der Seealpsee war zugefroren und schneebedeckt. Ich wollte dann aber nichts riskieren.

Kurz vor dem Seealpsee schnallte ich mir die Schneeschuhe an.

Mein Lieblingsgipfel, der Schäfler. Wenn die Ebenalpbahn nicht in Revision gewesen wäre, hätte ich ab der Ebenalp versucht, dort hochzukommen.

Von der Bruderklausenkapelle weg war der Rundweg entlang des Seealpsees gut erkennbar, aber ohne Spuren.

Was für eine unberührte Pracht. Bisher bin ich nur auf einen Einheimischen gestossen, der sich zur ausserordentlichen Schneemenge äusserte. Es sollte die einzige Begegnung der Tour bleiben.

Ab der Waldhütte war kein Weg mehr erkennbar. Der Schnee war tief, es war sehr anstrengend bis nach Klein Hütten. Und selbst mit Schneeschuhen bin ich 30 cm eingesunken. Da stellt man sich dann im Mühsal schon auch mal die Frage «was mache ich eigentlich hier?»…

Irgendwie hat mich das Ganze etwas an den Schellenursli erinnert, als er sich zum Maiensäss hochkämpft. Die Kulisse war grandios, aber Sonne – das wusste ich ja – würde ich keine haben.

Die Herausforderung des Abstiegs nach Wasserauen war nicht der Katzensteig, sondern das Auffinden des Wegbeginns am Waldrand.

Nach Kleinhütten machte ich einen ziemlichen Umweg bis ich den Einstieg in den Katzensteig gefunden hatte.

Blick auf Wasserauen, über Appenzell liegt noch leichter Nebel.

Ein letzter Blick auf Ageteplatte, Lisengrat und Säntis.

Es war eine Tour, für die ich bei trockenen Verhältnissen etwas mehr als anderthalb Stunden brauchen würde. Jetzt waren es – und abgesehen von den Fotohalten ohne Pause – fast drei Stunden. Es war wirklich anstrengend, aber schön.

Ich hatte kaum Zeit, die Schneeschuhe abzuschnallen und die Stöcke zu versorgen, da waren auch die Appenzeller Bahnen schon zur Abfahrt bereit (endlich ohne Busersatz). Da ich ab Wasserauen der einzige Passagier war, konnte ich problemlos im Abteil noch trockene Wäsche überziehen.